In diese Zeit fallen die bedeutendsten technologischen Wandlungen im Ziegelbetriebe. Schon in den Fünfzigerjahren wurde im Auslande, namentlich in England und Frankreich, die Maschinenarbeit aufgenommen. Man baute Thonschneider, Ziegelpressen. In Deutschland folgten Schlyckeisen und Hertel als Constructeure. In Oesterreich war es die Wienerberger Gewerkschaft, welche in ihren Fabriken zuerst Ziegelpressen nach dem System Hertel zur Aufstellung brachte, und war bereits 1868 die für die damalige Zeit ganz beträchtliche Zahl von 7 Pressen im Betriebe. Die glatten, scharfkantigen Maschinenziegel, welche eine raschere Herstellung ermöglichten, fanden jedoch nicht den Beifall der Wiener con- servativen Baukreise, die bisher im Handstrichsteine das Ideal eines Mauerziegels zu schätzen wussten. Doch der dringende Bedarf war da der beste Einführungsbehelf. Dreissig Jahre sind seitdem verflossen, und das alte Vorurtheil ist, wenigstens in Wien, gegen Maschinensteine erhalten geblieben. Man führt das Fehlen eines geeigneten Mörtelsandes in Wien als Hauptgrund an, wodurch ein fester Verband der glatten Maschinensteinflächen verhindert würde. Es ist dies auch die Hauptursache, dass nicht nur in Wien, sondern auch in den Provinzen beinahe drei Fünftel der gewöhnlichen Hintermauerungsziegel im Handstrich nach dem veralteten Verfahren hergestellt werden.
Die ganze Keramik beruht auf dem Brennprocess und ist eine Feuerungstechnik ersten Ranges. Das Feuer bewirkt die stoffliche Veränderung, die völlige Umwandlung und Erhärtung des Thones. Bei der Vielseitigkeit der Thonindustrie, den verschiedenen Rohmaterialien, die zur Erlangung eines gewissen Härtegrades, eines Garwerdens und Sinterungsprocesses eine Temperatur von 500 bis beinahe 1900 pyrometrischen Graden erfordern, mussten auch verschiedene Brennöfen construirt werden. Es sei hier nur bemerkt, dass alle diese Oefen nur Einrichtungen für einen periodischen Betrieb hatten, daher nicht ununterbrochen Fabricationszwecken dienen konnten.
Der Ziegel-Industrie mit ihrer Massenfabrication konnten jedoch die bisher üblichen Ziegelbrennöfen mit ihren verschiedenen periodischen Systemen nicht entsprechen. Man versuchte daher Dauerbrennöfen mit einem ununterbrochenen Betriebe zu construiren. Ein deutscher Techniker, Friedrich Hoffmann aus Preussisch-Schlesien, versuchte lange Zeit dieses für die Ziegel-Industrie so bedeutsame Problem zu lösen und nach einem jahrelangen Aufenthalte in Wien und theuren Probebauten gelang es ihm, den sogenannten Ringofen mit continuirlichem Betriebe zu erfinden, wofür ihm 1858 ein k. k. Privilegium verliehen wurde. Daher ist auch der Ringofen nach Hoffmann’schem System mit Recht mehr oder weniger als eine in Oesterreich gemachte Erfindung anzusprechen. Heinrich Dräsche, der Besitzer der Wienerberger Gewerkschaft, erwarb 1858 das bis dahin wenig gewürdigte Privilegium, und wurde am Wienerberge jedoch erst 1865 nach dem freilich noch keineswegs völlig erprobten System Hoffmann der erste dieser Ringöfen mit concentrischer Construction erbaut. Der Holzbrennstoff verschwand aus dem Ziegeleibetriebe, um durch Kohle ersetzt zu werden. Eine enorme Ersparung an Brennmaterial wurde erzielt, ein fortwährender Brennbetrieb wurde ermöglicht. Die Schaffung und die Einführung des Ringofenbetriebes war daher die grösste technologische Errungenschaft der Ziegel- und Thon-Industrie, die nun eigentlich zu einer Gross-Industrie mit einer schrankenlosen Massenproduction emporgewachsen war. Hoffmann’s Ofen fand seinen Weg durch die ganze Welt. Wurde auf diesem Gebiete auch Vieles nacherfunden oder angeblich verbessert, der Gasofen, Kammerofen und viele andere Ofensysteme aufgebaut, und fortwährend neue Patente für Oefen verliehen, so beruhen doch die meisten auf dem Hoffmann’schen Rundbrandofen, der als das Hauptwerk der Reform des Ziegeleibetriebes gewürdigt werden muss.
Wie schon bemerkt, war Professor Ferstel ein zielbewusster Förderer der Ziegel- und Thon- Industrie. Als einen vielgesuchten Architekten, dem die Ausführung grosser Monumental- und Staatsbauten übertragen wurde, war es ihm leicht möglich, Feinziegelbauten und den Thonschmuck der Fa^aden zur Ausführung zu bringen. Die «Wienerberger» war damals für derartige Arbeiten die einzige leistungsfähige Fabrik und mit Aufträgen in und ausser Oesterreich überhäuft. Eine grosse Erweiterung der Fabriksanlagen war daher unabweisbar und wurde in dieser an Industriegründungen so reichen Zeit auch die «Wienerberger», die bisher ausschliesslich Eigenthum H. Drasche’s war, in eine Actiengesell- schaft mit 7 Millionen Gulden Actiencapital umgewandelt. Dieselbe begann ihre Thätigkeit am 1. März 1869. Dass eine Ziegel- und Baugesellschaft nur unter dem Vorsitze und unter der Leitung eines hervorragenden Baufachmannes und Technikers gedeihen kann, ist einleuchtend. Handelt es sich doch in
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