erster Richtung zumeist nur immer um technische Fragen. Ferstel wurde zum leitenden Präsidenten der neuen Gesellschaft berufen, und unter seiner Leitung hatte diese Gesellschaft die goldene Zeit ihrer Entwicklung und Blüthe. Ferstel verfolgte mit Interesse alle Neuheiten und Fabricationen der Keramik des Auslandes und suchte sie in der unter seiner Leitung stehenden Gross-Industrie einzuführen.

So war die Einführung von keramischem Pflasterungsmaterial und Bodenplatten für Trottoirs und Innenräume in Oesterreich gar nicht geübt. Man begnügte sich mit Terrazzo, Asphalt, Granit, mit gewöhn­lichen, auf die Kante gestellten Mauersteinen. Für Corridore, Küchen verwendete man in Stadthäusern und besseren Bauten die heute bereits vergessenen Kelheimerplatten.

In Frankreich und namentlich in England erzeugte man schon um diese Zeit mit dem besten Erfolge all diese Producte, und namentlich waren es farbig dessinirte, in einem Stücke trockengepresste Bodenbelagplatten, die Sensation errangen. Man nannte sie Mosaikplatten. Eine am Rhein gelegene Fabrik begann als die erste in Deutschland diese Plattenfabrication, die auch in Oesterreich viel Beifall und Einfuhr fanden. Die «Wienerberger» richtete sich für diese vielversprechende Fabrication ein, und nach Ueberwindung der Schwierigkeit der Auffindung eines geeigneten Materials und technologischen Processes gelang es bald, derartige Platten mit einfachen geometrischen Mustern auf den Markt zu bringen.

Auch die Steinzeug-Industrie, heute ein sehr wichtiges Gebiet der Keramik, war in Oesterreich eine wenig geübte Kunst. Es galt dies namentlich von Rohrleitungen, wozu man zwecklos und oft zum Nachtheile Eisenmaterial verwendete. England stand mit seinem vorzüglich gesinterten, mit Salzglasuren versehenen Steinzeug von tadelloser Formung und Dauer obenan. In Belgien fand sich auch vorzüg­liches Steinzeugmaterial, und bald gelangte auch hier die Herstellung von Artikeln für Bau und tech­nische Zwecke zu hoher Blüthe. Deutschland folgte und führte grosse Mengen dieser Erzeugnisse in Oesterreich ein. In Niederösterreich konnte diese Fabrication, da man nicht das geeignete Material besass und zu verarbeiten verstand, erst zu Anfang der Siebzigerjahre zur Entwicklung gelangen, um­somehr, als man den Wettbewerb mit dem ausländischen Material zu bestehen hatte.

Hatte bisher Niederösterreich die Führung in den baukeramischen Productionen inne und war so ziemlich alleinherrschend am Wiener Baumarkte, so trat doch im grossen technologischen Entwick­lungsgänge unserer Industrie bald das durch ausgezeichnete keramische Rohmaterialien reich begnadete Königreich Böhmen an dessen Stelle. Man fand in dem in Preschen bei Bilin aufgefundenen Thone für Klinker, Trottoir- und Mosaikplatten das geeignetste Material, und die von J. Pechar in Kosten bei Teplitz 1873 gegründete Fabrik war die erste, die diesen Thon zur Massenherstellung dieser bisher gleichfalls zumeist vom Auslande bezogenen Artikel verwendete. Dann folgte Vokovic an der Buste- hrader Eisenbahn. Im Herbste 1882 wurden in der Fabrik in Rakonitz die ersten Feinklinker und Mosaikplatten hergestellt. Seit dieser Zeit hat die Herstellung von Klinker und Mosaikplatten einen grossen Umfang erreicht und beschäftigt zahlreiche Fabriken nicht nur in Böhmen, sondern auch in Mähren und Niederösterreich. In den letzteren Jahren ist besonders die Unter-Themenauer Ziegel- und Thonwaarenfabrik mit vorzüglichen Mustern hervorgetreten. Mehr als 70 hydraulische Trockenpressen sind heute in Oesterreich für diese Fabrication in Thätigkeit, und kann mit Befriedigung verzeichnet sein, dass durch die heimische Production der ganze Bedarf Oesterreich-Ungarns gedeckt wird. Leider lassen die hohen Eisenbahntarife die Ausfuhr als nicht lohnend erscheinen.

So ist es auch das Verdienst Professor Ferstels, im Vereine mit der Inzersdorfer Thonwaarenfabrik die Erzeugung von glasirten Thonwaaren für Bauzwecke in Oesterreich eingeführt zu haben. Es sei auf die Baumajolica, auf den Medaillonschmuck in der Art des Luca della Robbia in den von Ferstel aus­geführten Bauten der Universität, des österreichischen Museums für Kunst und Industrie, des chemischen Universitätslaboratoriums und auf die prachtvolle «Porta triumphalis» in der Weltausstellung 187 3 hin­gewiesen, die heute noch in ihrer ganzen Schönheit erhalten ist. Auch in keramischer Plastik für deco- rative Bauzwecke wurden in Inzersdorf grosse Gruppen hergestellt, die der Stadt Wien zur Zierde ge­reichen. Leider waren diese künstlerischen Bestrebungen auf unfruchtbaren Boden gefallen. Das un- glückliche Jahr 1873 mit seinen traurigen wirthschaftlichen Folge Wirkungen war auch lähmend auf diese neuerstandene Kunstübung. Sie gelangte neuerdings in Vergessenheit der Bauherren und Architekten,

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