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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Zweiter Band
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«beinahe soviel Wissenschaft von dem europäischen Handel erlangen, als an manchen der grössten Han­delsplätze». Als die ältesten böhmischen Glashändler grösseren Stils treten uns Georg Franz Kreybich, geboren 1662 zu Steinschönau, und Caspar Kittel aus Blottendorf, der 1682 daselbst Glasschneider war, entgegen. Beide gehen von den bescheidensten Anfängen aus und bringen den Handel ungemein in die Höhe, ja sie sind als seine eigentlichen Begründer anzusehen. Kreybich durchzog auf seinen vielen Reisen ganz Europa. Besondere Erfolge hatte er 1688 mit seiner Fahrt nach England, wo das geschnittene und gemalte böhmische Glas reissenden Absatz fand, da das englische, in der Farbe zwar schöner, eine solche Raffinirung damals noch nicht kannte. Kittel soll zuerst durch wandernde Scheerenschleifer, die ihn auf den Mangel von Glaswaaren in fremden Ländern aufmerksam machten, auf die Idee gebracht worden sein, mit dem böhmischen Glase im Auslande sein Glück zu versuchen. Er erwarb sich auch um die Fabrication ansehnliche Verdienste, indem er auf die grössere Reinheit der Materialien und Verbesse­rung der Formen drang, zum Zwecke der Verbesserung der Fabrication in Venedig nachforschte und dem vielseitigen Geschmack der Abnehmer gemäss auf die Glasherstellung einwirkte. Das Beispiel Kreybichs und Kittels fand rasche Nachahmung. Schon 1719 war auf den Glashütten «eine lebhafte Nachfrage nach dem Glas, wie auch bei den Glasschneidern, Kuglern und Polirern». Im Anfänge wollten die Con- sumenten das böhmische Glas, da es sich von ihrem einheimischen durch die Raffinirung bedeutend unter­schied, nicht kaufen, dann aber griff es durch und wurde ein Weltartikel. Diese enge Wechselwirkung zwischen Glashandel und Glaserzeugung war von grösstem Vortheile. Dadurch, dass die Glashändler dem Veredlungsgewerbe entstammten, also selbst Fachleute waren, konnten sie Alles, was sie in fremden Ländern sahen, sachgemäss verw r erthen und für die Verbesserung der Fabrication bei den Glaserzeugern das Nöthige veranlassen, wie wir es ja bei Kittel sahen. Unter den vielen Glashändlern dieser Zeit, die meistens untereinander verschwägert oder verwandt sind, wollen wir noch Christian Franz Rautenstrauch aus der Bürgsteiner Herrschaft, der sich auf Kittels, seines späteren Schwiegervaters, Veranlassung zuerst nach Russland mit Glas einschiffte, erwähnen. Später wurde das Geschäft auch nach Spanien ausgedehnt. Nach dem Beitritte von Gesellschaftern lautete dann die Firma: Hicke, Rautenstrauch, Zinke & Co. 1786 geht ein Associé nach Lima, 1796 ein anderer nach Mexico; nach wechselvollen Schicksalen wurde diese Firma 1848 aufgelöst. Das orientalische Geschäft wurde besonders von der Firma Vogel, Hölzel & Knechtei zu Steinschönau, die in Constantinopel und Smyrna Niederlassungen hatte, ge­pflegt, das italienische von der Firma Storm & Co., «die aus Italien so schwer Silber zurückführte als Glas hin», das holländische von Trauschke, das französische von Gebr. Zahn. Ein bedeutender Glas­händler ist auch Schwan aus Gablonz, der 1761 sein Geschäft begründete. In Spanien, das schon 1680 von böhmischen Glashändlern aufgesucht wurde, soll die erste Niederlassung durch Trauschke aus Langenau in La Coruna gegründet worden sein; Spanien bildete dann während des 18. Jahrhunderts das Dorado des böhmischen Glashandels.

Förderung erhielt der Handel auch durch die staatlichen, auf Hebung des Exportes gerichteten Bestrebungen. Unter Karl VI. wurde 1717 die Freiheit der Schiffahrt für alle Nationen verkündet, 1719 wurden Triest und Fiume zu Freihäfen erklärt, im gleichen Jahre die kaiserlich privilegirte orien­talische Compagnie ins Leben gerufen, von allen Waaren nach der Türkei ein Zoll von nur 3 °/ 0 erreicht, und auf Grundlage dieser schon durch die Capitulation vom Jahre 1617 und den Passarowitzer Frieden vom Jahre 1718 verfügten Handelserleichterung bildete sich in Wien eine türkische Colonie, die sich zum Theile speciell mit dem Glashandel befasste; ebenso wurde die Handelsfreiheit auf der Donau und dem Schwarzen Meere durch den Handelssened vom Jahre 1784 festgestellt. Mit Russland wurde 1785 ein Handelsvertrag auf 12 Jahre geschlossen, dem schon 1748 Handelstractate mit Tunis, Algier, Tripolis und 1783 mit Marocco vorausgegangen waren. Wurden doch unter Maria Theresia selbst die Nicobarischen Inseln von einem österreichischen Ostindienfahrer in Besitz genommen. Allerdings kam dieser Anfang zu einer österreichischen Colonialpolitik bald wieder zum Stillstände. 1783 wurde ein Agent der Regierung in Philadelphia bestellt, Consulate in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien gegründet. Von grosser Wichtigkeit für den böhmischen Glasexport war auch die Elbeschiffahrt. Schon Ferdinand I. machte geltend, dass die Elbe ein öffentlicher Strom sei, worauf allen Reichsunterthanen zu schiffen erlaubt sein müsse, während der Kurfürst von Sachsen erklärte, dass er auf der Elbestrecke, die sein Land durch-

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