Interessant ist es, die Statistik der böhmischen Glas-Industrie zu verfolgen. In einem Majestätsgesuche vom Jahre 1805 veranschlagen die Glashändler den Werth der österreichischen Glaserzeugung auf den 66 böhmischen Hütten mit 1,980.000 fl., zu welchen noch 5,940.000 fl. Raffinirungskosten, Fracht und Handelsgewinn treten, so dass ein Gesammtwerth von 7,920.000 fl. sich ergibt, wovon circa 5,280.000 fl. ins Ausland gehen. An 23.000 Menschen werden in dieser Eingabe als mit der Glasindustrie zusammenhängend bezeichnet. Der Commercial-Inspector Schreyer bewerthet dagegen in seinem Waarencabinet vom Jahre 1799 die Glaserzeugung auf nur 2'/, Millionen, die Ausfuhr auf mehr als 1 ‘/ 3 Millionen. Diese Angaben erscheinen jedenfalls zu niedrig, wenn auch anderseits die Angaben der Glashändler wieder zu hoch gegriffen sein mögen. 1776 soll es in Böhmen 64 Glashütten mit 1344 Glasmachern, 3 o 6 Glasschleifern, 23 1 Malern und Vergoldern, 260 Glas- und Wappenschneidern, 496 Kuglern, 273 Glasperlenschneidern gegeben haben. Nach Keess waren im Jahre 1820 daselbst 78 Hütten mit 3821 Arbeitern. Nach Czörnig betrug 1841 der Werth der österreichischen Glaserzeugung (inclusive Lombardei und Venetien) 17,500.000 fl. C.-M. Lobmeyr nimmt 1873 den Werth der gesammten österreichischen Production mit 22' 8 Millionen an mit Einschluss der Glas-Quincaillerie, die 3 Millionen beträgt; 23.825 Personen werden um dieselbe Zeit als in der Glas-Industrie beschäftigt angegeben, und zwar 19.259 Männer, 3156 Frauen und 1410 Kinder. Als Werth der Einfuhr vom Jahre 1873 erscheint die Ziffer von 15,222.662 fl. Nach der Statistik vom Jahre 1885 sind in Böhmen 53 Hohlglas- und 3 7 Tafelglashütten mit 5450 Arbeitern, die Hohlglas im Werthe von 5,240.000 fl., Tafelglas für 1,141.700 fl., Spiegelglas für 2,195.000 fl. erzeugen. Ausserdem bestehen 2040 Hohlglas-Raffinerien mit 46dl Arbeitern, die Glas im Werthe von 11,238.600 fl., und Spiegelglas-Raffinerien, die mit 1084 Arbeitern Glas im Werthe von 2,659.000 fl. erzeugen. Daneben sind noch fast 3 ooo Betriebe von Glas-Kurzwaaren, welche mit 13.799 Arbeitern Werthe von 17,000.000 fl. hersteilen, im Ganzen demnach 5116 gewerbliche Unternehmungen — ohne den Glashandel — mit 24.969 Arbeitern, die für 36 '/, Millionen Glas und Glas- waaren hersteilen. Uns erscheint diese Statistik bezüglich des Werthes jedenfalls zu hoch gegriffen und dürfte der Fehler wohl darin liegen, dass bei der Hohlglas-Raffinirung nicht die reine Werth Vermehrung des Rohglases durch die Raffinerie, sondern der ganze Werth des erzeugten Productes in Rechnung gestellt wurde, so dass das Rohglas doppelt in Rechnung gestellt worden sein würde, nämlich einmal bei der Rohglaserzeugung und das zweite Mal bei der Raffinirung. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir den Werth der gesammten österreichischen Production, also nicht blos der böhmischen, mit 40 bis 45 Millionen annehmen, von welchen an 25 Millionen zum Export gelangen, während der andere Theil im Inlande verbleibt. Der Export, der in den Jahren 1 83 1 bis 1835 im Mittel 52.982 q betrug und in dieser Zeit von circa 3 auf 5 Millionen Werth gestiegen war, erreichte im Jahre 1896 mit 529.175 q und der Werthsumme von 24,359.000 fl. seinen Höhepunkt, dem dann im Jahre 1897 ein kleiner Rückschlag folgte: 500.539 <7 mit einem Werthe von 22,976.612 fl.
VIII. Die handelspolitische Entwicklung in der Neuzeit und die gegenwärtige Lage
der Glas-Industrie.
Der Zustand einer Industrie hängt wesentlich von drei Momenten ab: von den Productions- bedingungen, den Transportverhältnissen und dann von der handelspolitischen Gestaltung im eigenen Lande, sowie in anderen Staaten. Das letzterwähnte Moment ist für die Glas-Industrie von grosser Wichtigkeit und sei darum hier kurz berührt. Wie bereits erwähnt, war die streng prohibitive Zollpolitik, die im Jahre 1788 unter Josef II. eingeführt wurde, auch in den ersten Decennien des 19. Jahrhunderts für Oesterreich maassgebend und dieselbe erfuhr auch durch die Zollordnung vom Jahre 1835 und den Zolltarif von i 838 keine Aenderung. Obgleich Fürst Metternich, wie neuerlich Adolf Beer in seinem Werke über die österreichische Handelspolitik des 19. Jahrhunderts nachgewiesen, eine Aenderung der Zollpolitik wollte, um einen zollpolitischen Anschluss an Preussen und an die anderen Staaten zu ermöglichen und die Gefahren, die für Oesterreich in wirthschaftlicher und politischer Beziehung durch den Zusammenschluss der übrigen deutschen Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiete mit Ausschluss der Monarchie sich ergaben, voraussah, sowie eindringlich auf dieselben hinwies, hielten die obersten Hofstellen doch an der wirth-
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