Aus kleinen Anfängen hervorgegangen, gehört die Wertheimsche Fabrik jetzt zu den bedeutendsten des Continents, was schon daraus erhellt, dass die Firma bis heute 70.000 Stück feuer- und einbruchsichere Cassen, über 18.000 Kunst-Sicherheitsschlösser, ca. 1000 feuerfeste Thüren und vollständige Zimmerpanzerungen geliefert hat. Ihre Fabrikate erfreuen sich auch der allgemeinen Anerkennung, nachdem selbe auf allen Weltausstellungen mit den ersten Preisen prämiirt wurden; in nicht weniger als 500 Fällen bewährten sich selbe gegen Feuer und ver­suchten Einbruch. Wertheim hatte die Ueberzeugung, dass es sich hier um einen Vertrauensartikel handle und er dementsprechend auch die grösste Solidität und Gewissenhaftigkeit in Bezug auf Arbeit und Wahl des Materials im Auge behalten müsse. Es war daher stets seine hauptsächlichste Sorge, nicht nur das beste stei­rische Material zu verwenden, sondern auch die Construction der Cassen auf das Solideste auszuführen. Im Laufe des 46jährigen Bestandes der Fabrik sind die wichtigsten Verbesserungen, Neuerungen und Erfindungen in Be­tracht gezogen worden. Unverändert blieb blos das Princip der grössten Solidität, welches stets die Richtschnur der Fabrication gebildet hat.

Als Schloss wurde für die Wertheimschen Cassen in den ersten zehn Jahren das System Brahma verwendet, welches später durch das Brahma-Chubb-Schloss ersetzt wurde. Bald musste jedoch bei der ungeheuren Anzahl der fabricirten Stücke daran gedacht werden, ein anderes, weniger bekanntes Sperrsystem einzuführen, welches ohne den dazu gehörigen Schlüssel absolut nicht zu öffnen sei. Wertheim kaufte das Patent des Schlossfabrikanten Jale in Philadelphia für ganz Europa, da dessen Schlossystem, wenn es auch noch unvollkommen war, den ge­stellten Anforderungen entsprach. Langwieriger Versuche und Verbesserungen bedurfte es aber, bevor es verwendet werden und Wertheim damit in die Oeffentlichkeit treten konnte; der Beurtheilung hervorragender Fachmänner, darunter des berühmten Technologen Dr. Carl Kramarsch, Directors der polytechnischen Schule in Hannover, unterzogen, fand das Wertheimschloss allgemeinen Beifall. Kramarsch äusserte sich in seinem Gutachten dahin, dass das Schloss im höchsten Grade die Bedingungen vollkommener Sicherheit in sich vereinige, welche nach dem jetzigen Zustande der höheren Schlosserkunst als wünschenswerth und erreichbar bezeichnet werden können. Obwohl es von Seite anderer concurrirender Fabrikanten anfangs den verschiedensten Anfechtungen ausgesetzt war, hat es sich doch heute allgemein Bahn gebrochen. Damit kein Schlüssel ein anderes Schloss sperre als das­jenige, zu welchem er gehört, musste man an die Construction einer Schlüsselmaschine denken, um die Form des Schlüssels, dessen Einschnitte früher durch Handarbeit und ganz willkürlich hergestellt wurden, nicht dem blinden Zufalle zu überlassen, sondern dieselbe mathematisch derart voraus zu bestimmen, dass die absolute Ver­schiedenheit aller Schlüsselcombinationen wissenschaftlich sichergestellt sei. Die Gesammtzahl aller auf dieser Maschine durchzuführenden Veränderungen beläuft sich auf 60 Millionen, deren jede einzelne von allen anderen gänzlich verschieden ist.

Auch in der Sicherung der Cassen gegen Feuer, welche hauptsächlich auf der Zusammensetzung der zur Füllung der Wände dienenden Materien beruht, sind durch Anwendung neuer Stoffe von weit geringerer Wärme­leitungsfähigkeit bedeutende Fortschritte gemacht worden. Die Resultate der am 22. October 1881 in Mailand ab­gehaltenen Feuerprobe liefern hiefür wohl den besten Beweis. Wie aus dem amtlichen Protokolle dieser Probe hervorgeht, betrug die Hitze an der Aussenseite der Casse i36o° Celsius, während die Temperatur im Innern nicht über 81 0 Celsius stieg. Hieraus ergibt sich eine Temperatur-Differenz von 1279 0 Celsius zwischen der Aussen- wand und dem Innern der Casse.

Da den heutigen Einbrechern alle Mittel der modernen Technik zur Verfügung stehen, mussten dement­sprechende Maassnahmen entgegengesetzt werden. Dies gelang der Firma insofern, als sie ein Fabrikat herstellte, welches den Anforderungen in dieser Beziehung vollkommen gerecht wird: 1. Bezüglich des Materiales, welches durch ein der Firma eigenthümliches Härtungsverfahren derart hergestellt wird, dass es die Härte des Stahles mit der Elasticität des weichen Eisens verbindet und infolge dessen nicht nur allen Bohr- und Meisselungsversuchen, sondern auch den wuchtigsten Hammerschlägen, bei welchen gewöhnlicher Stahl in Trümmer geht, widersteht. 2. Bezüglich der Construction, welche der Firma ebenfalls patentirt wurde und einen geradezu epochemachenden Fortschritt gegenüber der bisherigen Bauart der anderen Cassen bedeutet. Die eingehendsten, durch die ersten Autoritäten und Sachverständigen öffentlich durchgeführten Erprobungen dieser hochwichtigen Erfindung, welche im Jahre 1876 in Wien und Bukarest, 1877 in Wien, und zwar durch die höchste technische Autorität, die k. k. technische Hochschule, im Jahre 1878 in Paris durch die internationale Jury der Weltausstellung, im Jahre 1878 in Triest, im Jahre 1879 in Constantinopel und Bukarest, im Jahre 1880 in Wien und im Jahre 1881 in Mai­land vorgenommen wurden, lieferten den Beweis, dass diese neuartigen Cassen das Vollkommenste bieten, was die Einbruchsicherheit betrifft. Es sei hier noch erwähnt, dass weder auf dem Continente noch in England oder Amerika derartige Cassenconstructionen existiren. In Bezug auf die Sicherheit sind die^Wertheimschen Cassen den englischen und amerikanischen ebenbürtig, während sie im Preise kaum halb so hoch zu stehen kommen.

Durch nahezu 45 Jahre hat die Firma allen Besitzenden bewiesen, dass sie dem Fortschritte gebührend Rechnung trägt, da die Cassen in nahezu 500 Fällen sich sowohl gegen Feuer als auch gegen Einbruch bewährt haben. Es ist naheliegend, dass diese erzielten Erfolge der Firma ein bedeutendes Feld der Thätigkeit eröffnet und ihr die Zukunft der österreichischen Cassen-Industrie erworben haben, umsomehr als sich das Bedürfnis nach immer höherer Sicherung gegen jeden, selbst den raffinirtesten Einbruch steigert. Aber auch für andere Zwecke hat das patentirte Materiale die grösste Wichtigkeit.

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