ausschauendem Blicke erkannt hatte, war G. Winiwarter. Dieser hatte im Jahre 1851 in Gumpolds­kirchen eine Fabrik zur Erzeugung Gersheimscher Zünder und verbleiter Eisenbleche gegründet, welch letztere das damals auftauchende verzinkte Eisenblech ersetzen sollten, zumal es den Spänglern bei der Bearbeitung Schwierigkeiten bereitete; es erwies sich aber nicht gut verwendbar, weil das Eisen in Folge von Unganzheiten stellenweise vom Blei unbedeckt blieb, dort rostete und das ganze Blech roth färbte. Mit solchem verbleiten Eisenblech wurden damals unter Anderem einige Magazine auf dem Nordbahnhofe eingedeckt. G. Winiwarter kaufte 1857 die Bleiwaarenfabrik Boors, übertrug die wenigen brauchbaren Maschinen nach Gumpoldskirchen und stattete sein neues Werk 1858 mit einer kleinen Walzstrecke und einer von Nolden in Frankfurt a. M. gelieferten Röhrenpresse aus. Während bis dahin die Röhren aus einem hohlen, dicken Bleicylinder zu kurzen Stücken gezogen wurden, geschah dies nunmehr unter der Aufwärtsbewegung eines Pistons für die Höhlung durch das Auspressen geschmolzenen Bleies und konnten Röhren von beliebiger Länge hergestellt werden. Es fehlte aber lange an Absatz für Bleiplatten, Bleibleche und Bleiröhren, so dass die drei damals bestehenden Fabriken von G. Wini­warter in Gumpoldskirchen, J. B. Egger in Villach und eine kleine in Budapest insgesammt kaum 10.000 q Waare unterzubringen vermochten. Da trat um die Mitteider Sechzigerjahre ein sehr merklicher Um­schwung ein, als die sich rasch entwickelnde chemische Industrie steigenden Begehr nach Bleiblechen und Bleiröhren stellte, während gleichzeitig der Bau von Wasserleitungen in Angriff genommen wurde, der einen grossen Bedarf an Bleiröhren hervorrief. Letzteres war allerdings erst nach weitwendigen Bemühungen der Fall, da die Eisen-Industrie ein grosses Interesse hatte, auch zur Einleitung des Trink- und Nutzwassers in die Häuser eiserne Röhren in natürlichem Zustande oder innen verzinkt oder email- lirt verwendet zu sehen und überdies gegen die als gesundheitsschädlich bezeichneten Bleiröhren eine heftige Agitation ins Werk gesetzt wurde. Dieser wurde die Spitze abgebrochen, als G. Winiwarter mit zwei aus Paris bezogenen Maschinen Bleiröhren mit Zinneinlage (eigentlich schwache Zinnröhren mit Bleiüberzug) zu erzeugen begann. Durch die wirksame Unterstützung des damaligen städtischen Ingenieurs Mihatsch gelang es denn auch, den Bleiröhren zum Siege zu verhelfen, welche nunmehr ausschliesslich zur Einleitung des Hochquellenwassers in die Wohnhäuser in Verwendung genommen wurden, während von Eisenröhren, verzinkten und emaillirten, nicht mehr die Rede war. Da aber die Bleiröhren mit Zinneinlagen schwer miteinander zu verbinden waren, wegen der ungleichen Schmelzpunkte des Zinnes und des Bleies beim Löthen zuweilen schadhaft wurden und überdies des theuren Zinnmetalles wegen kostspielig waren, so trachtete man zweckentsprechendere und billigere Bleiröhren herzustellen und verfiel auf die von H. Schwarz, Professor der chemischen Technologie in Graz, erfundenen geschwefelten Blei­röhren. Das leicht ausführbare Verfahren besteht darin, in die eben ausgepresste, noch heisse Röhre etwas Schwefelammoniumlösung zu giessen, die Röhre zu verstopfen und kurze Zeit zu schütteln; es bildet sich dann im Inneren eine Haut von Schwefelblei, welches im Wasser unlöslich und daher für die Gesundheit gefahrlos ist. Vom Stadtphysikate im Jahre 1875 durchgeführte Proben, bei welchen Pro­fessor V. Kletzinsky feststellte, dass das Hochquellenwasser, welches in solchen Röhren mehrere Tage lang gestanden, keine Spur von Blei enthalte, führten dazu, dass die geschwefelten Bleiröhren in Ver­wendung zu nehmen gestattet wurde.

Eine Förderung erfuhr der Gebrauch von Bleiröhren durch die Erfindung noch eines weiteren sinnreichen Verfahrens, bei welchem ein hauchförmiger Zinnüberzug gleich beim Pressen des Bleirohres im Inneren erhalten wird. Welchen Umfang der Consum an Bleiröhren genommen, ist daraus zu er­messen, dass über 60 Städte in Oesterreich, dem Beispiele der Residenz folgend, sich für Bleiröhren bei ihren Wasserleitungen entschieden haben; es wurden in 40 Städten geschwefelte, in 10 Städten innen verzinnte Bleiröhren und in 11 Städten Bleiröhren mit Zinneinla^e ein^eführt. Nur Innsbruck und einige kleine Orte in Tirol wählten innen verzinkte Eisenröhren.

Unter den heute bestehenden Bleiwaarenfabriken ist jene von G. Winiwarter in Gumpoldskirchen, insbesondere durch ihren jetzigen Besitzer J. B. Ulrich zu einer grossen Entwicklung gelangt und nimmt unter allen übrigen den ersten Platz ein; ausser dieser befassen sich mit der Erzeugung von Bleiröhren die Fabriken der Bleiberger Bergwerks-Union in Villach, des Montanärars in Pfibram, von Jung & Lindig in Klostergrab, von Franke & Scholz in Römerstadt und des lg. Königsgarten in Brünn. Diese Fabriken

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