Jahrhunderts bei uns Flachsröstefabriken bestanden, die sich der Warmwasserrotte bedienten. Auch wurden wiederholt Versuche gemacht, Brechmaschinen zu construiren, die das Rösten ganz oder nahezu über­flüssig machen sollten, so bereits im Jahre 1820 von J. Catlinetti, 1823 von J. M. Cabassa in Verona, 1826 von J. Jüttner in Wien, 1830 von H. Zurhelle in Wien. Brech- und Schwingmaschinen wurden überdies construirt 1866 von H. Schmöle in Wien und 1888 von F. Rotter in Grulich. Eine Reihe der bedeutendsten und epochemachendsten Verbesserungen an Flachshechel- und Spinnmaschinen ver­dankte aber dem schon genannten Ph. FI. de Girar d aus Lourmarin in F rankreich geboren, seit 1815

in Hirtenberg in Niederösterreich) ihr Entstehen, welchem es gelungen war, 1810 die erste überhaupt erst brauchbare Flachshechel- und Spinnmaschine zu construiren, die er dann auf österreichischem Boden fort und fort verbesserte. Auch F. Wurm und L. Pausinger in Wien machten sich um diese Maschine wiederholt verdient.

In innigstem Zusammenhänge mit der Flachsspinnerei steht die Verarbeitung des Hanfes zu Bind­faden, Schnüren und Tauen. Es werden zunächst auf Maschinen, die jenen der Leinenspinnerei ähnlich, jedoch viel kräftiger gebaut sind, zu denen sich noch Specialmaschinen, wie die zum Reiben und Quetschen der gebrechelten Hanfstengel, gesellen, Garnfäden hergestellt, aus welchen man Zwirne gewinnt, die wieder die Grundlage von Zwirnen höherer Ordnung und schliesslich der Seile und Taue bilden. Die hiezu dienenden Maschinen sind, da es sich um kolossale Spannungen und grosse Kräfte handelt, sehr massig gebaut und arbeiten vollkommen selbstthätig.

Vollständig ein Kind unseres Jahrhunderts ist die Verarbeitung der Jute in Europa, welche am Beginne der Dreissigerjahre in Dundee zuerst versucht wurde, später auch am Continente Eingang- fand. Die zugehörigen Maschinen zum Quetschen, Cardiren, Strecken, Vor- und Feinspinnen sind sämmtlich britischen Ursprungs und liefern ein ganz vorzügliches F'adenmaterial, das sich in kürzester Zeit ein weites Gebiet der Verwendung eroberte und insbesondere die minderwerthigen Werggarne in vieler Hinsicht siegreich verdrängte.

Im Entstehen begriffen ist in neuester Zeit die mechanische Verarbeitung der Ramie, einer tropischen Nesselfaser, welche an Vorzüglichkeit der Eigenschaften alle anderen Pflanzenfasern übertrifft. Die Ab­sonderung des ausgezeichneten Bastes von den übrigen Stengelbestandtheilen ist jedoch äusserst schwierig und für fabriksmässigen Betrieb auch heute noch nicht vollständig gelungen, trotzdem sich namentlich in Frankreich, aber auch bei uns in Oesterreich, Theoretiker und Praktiker unablässig um Lösung dieser Aufgabe bemühen.

Beim Spinnprocesse der Schafwolle spielen zunächst die Reinigungsarbeiten eine grosse Rolle. Grossartige Waschmaschinen, in Folge ihrer riesigen Dimensionen Leviathane genannt, vollbringen dieselben auf nassem Wege, Klopf-, Reiss- und Klettenwölfe in trockenem Zustande. Im ganzen Verlaufe der Ver­arbeitung ist ein wesentlicher Unterschied je nach dem gewünschten Endproduct wahrzunehmen, nämlich je nachdem man Garne für tuchartige Zeuge (Streichgarne) oder aber solche für glatte Stoffe (Kammgarne) gewinnen will. Bei der Erzeugung ersterer, in der Streichgarnspinnerei, ist die Krempel die Hauptmaschine. Sie vervollständigt die Reinigung, isolirt, streckt, duplirt, ja sie besorgt sogar das Vorspinnen, indem der von ihr gelieferte Flor der Breite nach in schmale Bändchen getheilt wird, die, jedes für sich, durch Würgein verdichtet werden. Erfinder dieses Verfahrens, das eine vollständige Revolution in der Streichgarnspinnerei herbeiführte, ist ein Deutscher, Namens Ernst Gessner, in Aue (Sachsen), der 1861 ein Patent auf einen Flortheiler nahm. Die von der Krempel gelieferten Vorgarnfäden brauchen nur noch auf dem Selfactor oder der Ringspinnmaschine verzogen und zusammengedreht zu werden, um bereits fertige Garne zu geben.

Das Verdienst, auf dem Gebiete der Streichgarnspinnerei dem österreichischen Namen Klang und Geltung verschafft zu haben, gebührt der schon genannten Firma G. Josophys Erben.in Bielitz. Diese Firma, welche 1851 von Gustav Josephy gegründet wurde, pflegte den Bau der Krempeln seit ihrer Begründung als Specialität und liefert heute alle Typen, von der einfachen, kleinen Krempel, wie sie gegenwärtig noch für Hand-, Göpel- oder Wasserbetrieb in Ungarn, Siebenbürgen und den Balkanstaaten Verwendung findet, bis zu den vollkommensten, nahezu völlig automatisch arbeitenden Krempelassortimenten mit zwei und drei Maschinen, automatischen Speiseapparaten und Pelzbrechern oder Bandübertragungen, Vliesrückleitungsapparaten und vier Hosenflortheilern, sowie Krempeln mit Droussirapparaten und Vor- und Doppelkrempeln für Kunstwollspinnerei.

Die Gross-Industrie. IV.

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