Die Zahl der mechanischen Webstühle erhöhte sich in der Streichgarn-Industrie von 1907 im Jahre 1875 au f 3620 im Jahre 1880, auf 5972 im Jahre 1885 und 8409 im Jahre 1891. Die Zahl der Handwebstühle ist in dieser Industrie von 22.000 im Jahre 1875 auf 5627 im Jahre 1885 gesunken, um im Jahre 1891 sich wieder auf 12.808 zu heben.

In der Kammgarn-Industrie und in der Erzeugung gemischter Stoffe stieg die Zahl der mechanischen Webstühle von 4425 im Jahre 1875 au f 7831, im Jahre 1880, auf 11.164 im Jahre 1885 und 15.300 im Jahre 1891. Die Zahl der Handwebstühle fiel von 13.104 im Jahre 1875 auf 9089 im Jahre 1880, 8293 im Jahre 1885, um 1891 wiederum auf 9951 anzuwachsen.

Die Zahl der Tuchmacherwebstühle der Streichgarn-Industrie fiel von 7630 im Jahre 1880 auf 1554 im Jahre 1885 und ist zweifellos seither auf ein Minimum herabgegangen.

Das Kleingewerbe und die hausindustrielle Production der Industrie für Kammgarne und gemischte Stoffe wies 1880 nur 3890 Stühle auf, deren Anzahl in der weiteren Zeitentwickelung sich gewiss ausser­ordentlich vermindert hat. In Brünn gibt es seit Decennien keine Kleinmeister mehr; in Reichenberg ist die Mitgliederzahl der Tuchmachergenossenschaft auf 130 herabgesunken. Die grössere Zahl, mit denen die Handwebstühle in der letzten statistischen Aufnahme bei der Strich- und Kammgarn-Industrie wieder auftreten, hat nichts weniger zu bedeuten, als eine Erhöhung des Wettbewerbes der Handarbeit. In gewissen Branchen, insbesondere in der Erzeugung von Tüchelwaare, welche namentlich der Brünner Platz gegen das finde der Achtzigerjahre aufgenommen und mit einer Massenproduction betrieben hatte, welche der Wiener Tüchelerzeugung und jener der anderen Plätze nahezu das Ende bereitete, wurde zu einer erhöhten Beschäftigung von Handwebstühlen durch Factoreien gegriffen, da diese Waare wenig an Saisonen gebunden ist und die billige Landweberarbeit bei der Minderwerthigkeit des zur Verwendung gelangenden Materiales von Bedeutung ist.

Auch hatten in Brünn, insbesondere in den letzten Jahren kleinere Erzeuger die Production überaus billiger Kleiderstoffe aufgenommen, welche gleichfalls der Verwendung der Landweberarbeit grösseren Spielraum schafften. Der Rückgang der Baumwoll- und Leinen-Industrie hat viele Handwebstühle frei­gemacht, deren Besetzung zum Theile von der Woll-Industrie aufgenommen wurde. Diese Erscheinung ist aber jedenfalls nur eine vorübergehende, da die Unregelmässigkeit des Landwebereibetriebes einerseits, der durch den Wechsel der Mode bedingte Rückgang der Tüchelerzeugung und die Thatsache, dass die Production der billigsten und schlechtesten Kleiderstoffe auf die Dauer keinen namhaften Absatz finden wird anderseits, im Vereine mit der in absehbarer Zeit zu erwartenden Ausdehnung der Arbeiterschutz- und Versicherungs-Gesetzgebung auf die Haus-Industrie deren ausgedehnte Benützung kaum mehr rentabel gestalten wird. Immerhin vollzieht sich die Zunahme der grossen Betriebe, die in der Zeit von 1880 bis 1885 um 60 sich vermehrten, während die Zahl der verwendeten Pferdekräfte um 10.411 zunahm, wobei die Gesammtheit der in der Woll-Industrie verwendeten Arbeiter um 2991 sich verminderte, in offen­barer Weise.

Die Ungleichheit der in den verschiedenen Zeiträumen erfolgten statistischen Aufnahmen der Industrie macht die Vergleichung schwierig und unverlässlich. Aus der allgemeinen Richtung, welche die Entwickelung der österreichischen Schafwoll-Industrie nimmt, lässt sich aber folgern, dass die Zeit des Kleinbetriebes unter allen Umständen vorüber ist, und dass auch bereits für die Mittelbetriebe die Zeit gekommen ist, in welcher sie den Concurrenzkampf mit den grossen und grössten Betrieben der Industrie hart empfinden. Ein bedeutsames Anzeichen hat sich hiefür bereits eingestellt. Seit dem Beginne der Neun­zigerjahre wendeten sich einige der grössten Schafwollwaaren-Fabriken Nordböhmens, welche vor Allem bisher die Kleide'rstoff-F'abriken betrieben hatten, der Erzeugung von Herren - Kammgarnmodewaaren zu. Begünstigt durch die hohe Capitalskraft der Unternehmer, welche diesen die Durchführung der Fabriks­anlagen in grösstem Style, die Einrichtung mit den vollkommensten Betriebsvorrichtungen, die Specialisirung der Erzeugung und eine nicht zu überwindende Concurrenz in den Zahlungsbedingungen ermöglicht, ge­langten diese Betriebsstätten bald zu einer Massenerzeugung in bisher in Oesterreich unerhörter Ausdehnung.

Der Brünner Platz, dessen Kammgarnmodeartikel in den Neunzigerjahren auch Bielitz mit Erfolg auf­genommen hatte, wurde am schwersten von der Concurrenz Nordböhmens mitgenommen, welche die Artikel in Massenproduction zu hiedurch ermöglichten billigen Preisen, mit denen eine rentable Concurrenz kaum mehr möglich war, auf den Markt brachte. Der Brünner Platz, der sich gegen das Ende der Achtzigerjahre und zum Beginne dieses Decenniums noch relativ günstiger Verhältnisse erfreut hatte, wurde durch diese

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