Concurrenz auf das härteste getroffen. Die billige Kammgarnmodewaare Nordböhmens machte auch den feinen und hochfeinen Artikeln der Brünner Karmgarnerzeugung erfolgreichste Concurrenz, trotzdem die Brünner Industrie hier ihren hohen Ruf unverändert behauptete. Die Betriebsreductionen der Etablissements der Feinmodewaarenbranche waren die Folgen dieser Erscheinung, welche sich umso schärfer geltend machte, da der Export der österreichischen Waaren immer mehr eingeschränkt wurde.

Der durch die besondere Berücksichtigung ungarischer Interessen herbeigeführte Zollkrieg mit Rumänien hatte dieses wichtige Absatzgebiet der österreichischen Schafwoll-Industrie nahezu vollständig der Concurrenz Englands und Deutschlands ausgeliefert, die auch nach der Herstellung normaler Verhältnisse nur mehr zum Theile überwunden werden konnte. Die politischen Wirren in den Balkanländern, die schliess­lich zu dem griechisch-türkischen Kriege führten, verringerten hier das Terrain des österreichischeu Exportes, welcher durch den Abschluss des bulgarischen Handelsvertrages noch mehr beschränkt wurde, zumal in Bulgarien die Regierungspolitik den Consum heimischer, wenn auch noch so minderwerthiger Wollwaare auf das Nachdrücklichste begünstigt.

Auf dem orientalischen Markte fand die österreichische Schafwollwaaren-Industrie die schärfste Concurrenz. Einzig und allein Bielitz hat vermöge der Tüchtigkeit und Energie seiner Unternehmer und der Preiswürdigkeit und Billigkeit seiner Waaren den ersten Platz, den es im Orienthandel in den Sieb­ziger- und Achtzigerjahren erlangt hatte, auch weiterhin trotz aller Mühseligkeiten und Schwierigkeiten behauptet. Doch hat Bielitz Reichenberg, dessen Levantiner Tuche einst einer seiner wichtigsten Pro- ductionsartikel waren, nahezu vollständig auf dem Gebiete des Orientexportes aus dem Felde ge­schlagen. Der Absatz nach Nordamerika, der in den Sechzigerjahren der österreichischen Woll-Industrie den grössten Aufschwung gegeben hatte, ist von immer geringerer Bedeutung geworden, zumal die nur durch die kurze Zwischenperiode der Wilson-Bill unterbrochene Hochschutzzollpolitik der Mac Ivinley- und Dingley-Tarife den Markt sperrte und dem Erstarken der eigenen, sehr leistungsfähigen Woll-Industrie die Wege bahnte.

Immerhin noch von Bedeutung ist der Verkehr mit den südamerikanischen Ländern, während die österreichische Woll-Industrie die neu erschlossenen Absatzgebiete Ostasiens noch in geringerem Maasse kennen gelernt hat. Die Verbindungen mit Italien und Spanien sind seit dem Erstarken der nationalen Industrien dieser Länder von geringem Belange.

Es ist selbstverständlich, dass die relativ geringe Bedeutung des Exportes, welche in einer Werth­ziffer von 18 Millionen Gulden für Wollwaaren gegenüber 138 Millionen Deutschlands zum Ausdrucke kommt, der österreichischen Schafwollwaaren-Industrie die seinerzeitige Bedeutung für den Weltmarkt genommen hat.

Im Inlande empfindet sie, -was den Import von concurrirenden Artikeln anlangt, am härtesten den Einfluss Englands, welches namentlich auf dem Gebiete feiner und feinster Modewaare grosse Quantitäten über die Grenze bringt. Gerade diejenige Branche der österreichischen Schafwollwaaren-Industrie, welche für die erfolgreiche Entwickelung dieser Industrie von der grössten Bedeutung gewesen ist, die Erzeugung feiner und hochfeiner Waare, in welcher Oesterreich sich seine Leistungsfähigkeit ungeschmälert bewahrt hat, wird dadurch betroffen. Die Ursache liegt zum grossen Theile in den Conditionen und der Organi­sation des Absatzes, welche zu geradezu regellosen Verhältnissen im Inlande geführt haben und den Con- currenten, welche diese Schäden und Mängel ausnützen, das Eindringen erleichtern. Die österreichische Schafwollwaaren-Industrie entbehrt eines leistungsfähigen und gesunden Zwischenhandels im Innern, dessen Verschwinden sie allerdings zum grössten Theile selbst auf dem Gewissen hat, und einer geeigneten Absatz- Organisation für den Export. Beim Bezüge von Maschinen, Rohproducten, Halbfabrikaten und Bedarfsartikeln zum grossen Theile auf das Ausland angewiesen, ist ihr der gesicherte Bestand und ihre Concurrenzfähigkeit erschwert durch die schwierigen Productionsbedingungen, wie die Höhe der Steuern, Frachten, Kohlen­preise u. A. tu., die auf ihr ziffermässig nachweisbar mit weit härterem Drucke, als auf den gleich­artigen Industrien anderer Länder, lasten. Zu all dem gesellt sich die Thatsache, dass die Consumtions- kraft der Bevölkerung unseres Staates gerade in den letzten Jahren durch den ungünstigen Ausfall der Ernten sehr gemindert ist und dass die landwirthschaftliche Bevölkerung, welche die internationale Ge- treideconcurrenz schwer betroffen hat, darunter auf das härteste leidet.

Trotz dieser Ungunst der allgemeinen Wirthschaftslage und der besonderen Productions- und Absatz­verhältnisse steht die österreichische Schafwollwaaren-Industrie achtunggebietend da. In ihrer Leistungs-

Die Gross-Industrie. IV. g

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