darauf Schwadorf, Liesing, Schönau und Sollenau, so dass bereits 1805 Niederösterreich allein sieben Spinnereien zählte. Die Handspinnerei, welche in Niederösterreich noch Ende des vorigen Jahrunderts mehr als 100.000 Leute beschäftigte, 1 ) gieng rapid zurück und die Zahl der Handspinner in Niederösterreich sank im Jahre 1812 auf 7000 bis 8000. In Böhmen wird die Zahl der Handspinner für das Jahr 1790 noch mit 24.47 7, 2 ) für das Jahr 1819 mit 12.000 bis 15.000 angegeben.

So sehr nun staatlicherseits die Baumwollindustrie begünstigt wurde, so wurde doch stets die Leinen- und Wollindustrie in ihren Vorrechten geschützt, »weil doch die Leinen- und Wollmanufacturen, deren Urstoff im Lande erzeugt wird, allezeit den anderen vorzuziehen wären«. Mit dieser Begründung verordnet nämlich ein Hofdecret von 1789, dass die Baumwollindustrie nur in jenen Gebieten eingeführt und verbreitet werden soll, in denen sich keineWoll- und Leinenindustrie befindet. 3 )

Kaum waren die ersten Grundsteine zur industriellen Entwickelung bei uns gelegt, als sich auch schon die übermächtige englische Concurrenz fühlbar machte. Charakteristisch hiefür ist die Thatsache, dass englische Firmen im Jahre 1805 für eine Million Gulden C.-M. Garn in Commission nach Wien schickten und 30 Procent unter dem wirklichen Waarenwerthe verkauften, um die österreichische Industrie gleich in ihren Anfängen zu ersticken. 4 ) Da griff nun rechtzeitig die durch das Berliner Decret Napoleons vom 21. November 1806 verfügte Continentalsperre gegen England rettend ein. Fördernd wirkte auch natürlich nur vorübergehend die fortschreitende Papiergeldentwerthung. Die österreichische Spinnerei und mit ihr auch die anderen Zweige der Baumwollindustrie nahmen nun einen rapiden Aufschwung. Im Jahre 1815 gab es in Niederösterreich nicht weniger als 43 Spinnereien mit 1059 Mule-Maschinen und 110 Water-Frames, welche 16.000 Centner Baumwolle verarbeiteten und 1,249.470 Wiener Pfund Garn erzeugten. Im Jahre 1812 bereits sollen in der ganzen Monarchie 80.000 Ballen Baumwolle aus Macédonien und Smyrna, den beiden Hauptbezugsquellen, verarbeitet worden sein.

Nach dem Jahre 1814 machte sich die ausländische Concurrenz neuerlich geltend, und zwar ins­besondere im Wege eines ausgedehnten Schmuggelverkehres. Auch die Zollverhältnisse hatten sich zum Nachtheil der Spinnerei verändert. Die Einfuhr von ausländischen Garnen unter Nummer 50 war bis zum Jahre 1812 verboten, die höheren Nummern hatten einen Zollsatz von 100 fl. per 100 Wiener Pfund zu entrichten. In der Folgezeit setzten es jedoch die Weber in Folge einer lebhaften Agitation durch, dass auch die Garne von Nummer 3050 zum Zollsätze von 30 fl. per 100 Pfund eingeführt werden konnten. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass der Zoll für rohe Baumwolle 3 fl. 30 kr. per Centner brutto betrug, so dass sich der Zollschutz für die inländische Spinnerei je nach den Preisverhältnissen des Rohmateriales und Halbfabrikates entsprechend verminderte. Im Jahre 1825 stellte er sich bei Ketten­garnen von Nummer 3060 auf circa 9V3 Procent, bei Schussgarnen von Nr. 3060 auf circa I2V 2 Procent vom Werthe. 6 ) Die Einfuhr der fremden Garne stieg scheinbar von 1-9 Millionen Gulden im Jahre 1820 auf 4-4 Millionen Gulden im Jahre 1826, in Wahrheit aber wurden die Verhältnisse für die inländische Spinnerei doch günstiger, weil in dieser Zeit wirksame Maassregeln zur Unterdrückung des Schmuggel­verkehres ergriffen wurden.

Wie sehr die österreichische Baumwollspinnerei in verhältnismässig kurzer Zeit erstarkt war, erhellt aus einer anonymen Agitationsbroschüre des Jahres 1821. 8 ) Dieselbe besagt, dass in dieser Industrie an 30.000 Menschen ihren Unterhalt finden, dass das in den Fabriken investirte Capital 12 bis 15 Millionen Gulden C.-M. beträgt und die Erzeugung 56 Millionen Pfund jährlich erreicht. Gesponnen wurden vorwiegend noch die Nummern von 1030, welche durch völliges Einfuhrverbot geschützt waren.

Die rohe Baumwolle wurde damals noch zu zwei Dritteln aus Smyrna und Salonichi bezogen, nur der Rest des Bedarfs wurde durch sicilianische und amerikanische Baumwolle eedeckt. Triest -war damals, was es heute gern werden möchte der Baumwollhafen von Oesterreich. Interessant ist auch die Thatsache, dass es in Oesterreich selbst Baumwollpflanzungen gab. Im Jahre 1783 wurden in der Gegend von Temesvar, später bei Fünfkirchen und an mehreren Punkten des Banates und der Militär­grenze Versuche mit macedonischem Baumwollsamen angestellt. Die Anpflanzungen erhielten sich noch

') Keess, a. a. O., IT. Theil, I. Bd., S. 82.

2 ) Josef Schreyer, Kommerz, Fabriken und Manufacturen des Königreichs Böhmen. Prag 1790, S. 203.

3 ) Schreyer, a. a. O., S. 210.

4 ) Keess, a. a. O., II. Theil, I. Bd., S. 84!.

5 ) Keess und Blumenbach, a. a. O., I. Bd., S. 180.

c ) Ueber die Verhältnisse der Baumwollspinnerei in Oesterreich. München 1821, S. 10.

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