Als im Jahre 1880 im nördlichen Böhmen eine alte Tuchwalke zu Kronau bei Grottau ausgeboten wurde, erwarb J. B. Limburger dieselbe durch Kauf und richtete sie zu einer Baumwollabfall-Spinnerei ein. Der daselbst lebhaft betriebenen Production machte im Jahre 1885 ein Brand des Etablissements das Schicksal so vieler Spinnereien ein jähes Ende, worauf Limburger beschloss, an dessen Stelle eine Vigogne-Spinnerei zu errichten. Dieser in Sachsen schon lange Zeit bestehende und prosperirende Industriezweig hatte bis dahin in Oesterreich nur wenige und nicht bedeutende Vertreter, da man aus wichtigen Gründen nicht so recht an die Anlagen grösserer Unternehmungen auf diesem Gebiete gehen wollte. Die Vigognewolle, welche von einem zur Lamagattung gehö­renden Säugethiere stammt und nur zu feinen modernen Artikeln, Handschuhen etc., doch immer nur in Unter­mischung, sowie zur Verfeinerung der Oberfläche von Filzhüten verwendet wird, unterliegt heute bezüglich ihrer Beschaffung immer schwieriger werdenden Verhältnissen, indem sie theurer und seltener wird, da der Wildbestand sich bei der ungeregelten Jagd stark vermindert. Anders ist es mit dem sogenannten Vigognegarn, das ja bekanntlich aus reiner Schafwolle und Baumwolle besteht, dessen Erzeugung sich anfangs in Oesterreich gleichfalls auf einen kleinen Umfang beschränkte.

J. B. Limburger Hess die Vigogne-Spinnerei von vornherein in grösserem Umfange anlegen, um die Pro­duction im grossen Maassstabe zu betreiben. In einem vier Stock hohen, langgestreckten Gebäude sind die Werkstätten mit ihren Maschinen untergebracht. Letztere, die Krempel, Spinnmaschinen etc. umfassend, entsprechen allen Anforderungen moderner Technik und wurden von der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz bezogen. Die zu dem Betriebe der Fabrik nöthige Kraft stellen bei: Eine Turbinenanlage von 100 Pferdekräften, die von der Neisse

getrieben wird, und eine Dampfmaschine von 200 Pferdekräften, welch letztere die Gebrüder Winterthur in der Schweiz lieferten. Da die Firma J. B. Limburger junior in Kronau keine besitzt, w r ird die Wolle, welche bekanntlich in gefärbtem Zustande verarbeitet wird, an die der

Sulzer aus Färberei Firma ge-

II1 III II I

Vigognespinnerei Kronau.

hörende Färberei nach Zittau geschickt behufs Vornahme des Färbeprocesses. Die Zahl der in Kronau vorhandenen Krempel beträgt 84; an Spindeln sind 15.060 im Gange. Die Erzeugnisse der Ivronauer Fabrik wussten sich in einem weiten Kundenkreise Eingang zu verschaffen, daher denn die Production einen immer grösseren Umfang annahm. Daraus ergab sich im Laufe der Jahre die Xothwendigkeit, Vergrösserungen und bedeutende Erweiterungen vorzu­nehmen, die es ermöglichten, dass heute jährlich circa 600.000 bis 700.000 Kilogramm producirt werden. In Arbeit stehen 220 Personen, für die ausser den behördlich angeordneten Vorkehrungen zum Schutze und zur Sicherheit des Lebens weitgehende Wohlfahrtseinrichtungen bestehen.

Der erspriessliche Fortgang des Kronauer Unternehmens, der stattliche Umfang der Production daselbst gaben der Firma J. B. Limburger hinreichende Veranlassung, in dem Kronau benachbarten Dorfe Ketten eine Spinnerei zu gründen. Ketten liegt an dem Flusse Neisse, deren Wasserkraft die Firma für sich zu benützen beschloss. Zu diesem Zwecke mussten umfangreiche, kostspielige Wehr- und Wasserbauten unternommen werden, die ein Gefälle von solcher Stärke erzeugten, dass dadurch die neu anzulegenden Turbinen von 120 Pferdekräften in Bewegung gesetzt werden konnten. Im Jahre 1884 wurde der Bau der Spinnerei Ketten durchgeführt, in welcher zunächst 10.000 Spindeln aufgestellt wurden. Das mit aller Energie und Tüchtigkeit geleitete Unternehmen zu Ketten wuchs und gedieh binnen weniger Jahre derart, dass die Firma sich zur Durchführung von Vergrösserungen und Erweite­rungen veranlasst sah. In einem aufgeführten Zubau wurde Platz geschaffen für die Aufstellung weiterer 20.000 Spindeln. Die in so grossem Style ang-elegte Production nahm denn auch einen gewaltigen Umfang an. Die Erzeug­nisse der Fabrik zu Ketten erschlossen sich immer neue Märkte und Plätze, und so trat der Zeitpunkt ein, in welchem die Firma J. B. Limburger junior, um Flerr der Situation bleiben zu können, abermals an die Vornahme einer wesentlichen Veränderung in dem bisherigen Betriebe gehen musste. Diesmal aber es war dies im Jahre 1895 wurde der Bau einer ganz neuen Fabrik unternommen, die, angrenzend an die bereits bestehende, die Anzahl von 38.000 Spindeln aufnehmen sollte. Mit der Durchführung dieses Baues fand die Bauthätigkeit der Firma in Ketten einstweilen ihren Abschluss, obwohl sie heute schon im Besitze weiterer ausgedehnter Baugründe ist.

Die Gross-Industrie. IV.

225

29