S. JENNY

MECHANISCHE WEBEREI, FÄRBEREI, DRUCKFABRIK

HARD (VORARLBERG).

wei wasserreiche Quellbäche, welche niemals sich trüben und deren Temperatur sich stets um io c C. bewegt, verlockten schon in früher Zeit zur Gründung von Druckereien und Färbereien in Hard. Am Dorfbache wurde eine solche 1795 von Samuel Vogel & Söhnen aus Mülhausen im Eisass in dem ehemaligen Deuringschen Edelsitz »Mittelweierburg« etablirt, und um das Jahr 1815 erbauten Züricher die Firma Esslinger im Dorfe selbst an der Lauterach (ein krystallheller Bach, daher sein Name) eine kleine Färberei mit Druckerei. Die Lebensdauer beider Etablissements zählte nur einige Jahre, sie verschwanden, man weiss nicht wann und warum.

Erst 1825 beginnt wieder industrielle Thätigkeit durch den Uebergang des Esslingerschen Anwesens in die Hände von Jenny & Schindler aus dem Canton Glarus (Schweiz), welche daselbst das Türkischrothfärben von Baumwollgeweben, sowie das Bedrucken derselben einrichteten. Obwohl damals Kosmanos in diesem Erzeugnis den österreichischen Markt beherrschte, eroberte sich die junge Niederlassung im Fluge das Terrain, vermuthlich durch ein rascheres, billigeres Fabricationsverfahren, als es das elsässische war, wie es durch Köchlin 1815 in Böhmen eingeführt wurde. Die Production der Fabrik zu Hard, im Jahre 1829 3874 gefärbte und 5964 gedruckte Stück (ä 30 aunes = 35 Meter) betragend, hatte sich schon 1832 verdoppelt, 1839 vervierfacht und w T ar 1847 sogar auf das Fünffache gestiegen. Geleitet von dem Chef des Hauses, Melchior Jenny (geboren 6. November 1785 in Ennenda, gestorben 12. October 1863 in Hard), aus der alten Firma Jenny & Schiesser in Ennenda, gedieh die Firma zu immer grösserer Ausdehnung: andere Druckartikel, unter ihnen hauptsächlich Lapis und andere Küpen­artikel, wurden in dem 1835 erworbenen Mittelweierburg eingeführt und eine dritte Druckerei für Wolle und Halb­wolle in Erlach einer Parcelle von Hard errichtet, welch letztere jedoch nicht prosperirte. Die benachbarte Anlage Lerchenau findet sich 1835 ebenfalls schon im Besitz von Jenny & Schindler, erst als mechanische Spinnerei eingerichtet, später zur Weberei umgewandelt, nachdem 1837 das grosse Spinnereietablissement Kennelbach an der Bregenzer Ach erbaut worden war. Die Reihe der Gründungen schloss die mechanische Weberei Liebenstein im Jahre 1850 ab, welche ihre Betriebskraft dem Ablaufwasser der Spinnerei entnahm.

In dem gesellschaftlichen Verhältnis der Firma Jenny & Schindler waren mit der Zeit tiefgreifende Veränderungen vor sich gegangen, als deren Folge an dieser Stelle nur die Uebernahme der Türkischrothfärberei und Druckerei in Hard sammt der mechanischen Weberei Lerchenau von Dr. Samuel Jenny, Sohn Melchior Jennys, unter der Firma »S. Jenny« mit 16. Jänner 1867 in Betracht kommt.

Der unvergleichliche Erntesegen dieses und des folgenden Jahres rief einigermaassen das goldene Zeitalter des Türkischroth-Artikels zurück. Als in jenen merkwürdigen Marktzeiten die Transportmittel derart ihren Dienst versagten, dass man die Erzeugnisse der Textilindustrie in den Strassen Budapests bis zur Höhe des ersten Stock­werkes aufgestapelt sah, vermochte auch die aufs Höchste gesteigerte Türkischrothproduction der Nachfrage nicht zu genügen, trotzdem das Dutzend Illuminirte 14/4 fl. 36 kostete, welches heute für fl. 18 verkauft wird! Doch von da ab verlor der Artikel rapid an Bedeutung: in den Zwanzigerjahren ganz Oesterreich undUngarn als Absatzgebiet umfassend, verschwand er aus den Alpenländern gänzlich, aus Böhmen bis auf die Bezirke von Pilsen und Deutschbrod. In der Nationaltracht der slavischen Bevölkerung fand er die vielfältigste Verwendung, Kopf- und Brusttuch, Rock und sogar der Regenschirm war türkischroth gefärbt und mit bunten Dessins bedruckt, von denen ohne Rosen und Rosenblätter keines vor den Augen des weiblichen Geschlechtes Gnade fand. Was der Volksgeschmack sich einmal als Liebling erkoren, wurde mit besonderen Namen ausgezeichnet und bewahrte seine Beliebtheit durch Jahrzehnte hindurch. Da gab es z. B. unter den Bouquets-Interieurs einen grossen und einen kleinen »Schmetterling«, ein »Maulbeerblatt«,_ ein »Schnallenmuster«, unter den Bordüren einen »Schweinsmagen«, eine »Reibeisen-« und »Ribisel­kante« u. s. w. Eine unübertroffene, geradezu erstaunliche Anziehungskraft besass die »Milchkante«, in Ungarn »Czärdaskante« genannt, welche von Ivosmanos zuerst zwischen 18x5 und 1820 auf den Markt gebracht, von allen fünf Vorarlberger Fabriken copirt wurde und heute noch in Ungarn gekauft wird, nachdem die Modelle dazu zum 26. Male neu hergestellt wurden.

Die Gross-Industrie. IV.

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