Der stetig rückgehende Absatz des Türkischroth drängte die Firma auch zur Erzeugung jener Tücheldruck- waaren, die Jenny & Schindler in Mittelweierburg verfertigt hatten, nämlich Indigo- und Garancine-Artikel in Baumwolle und Leinen, letztere besonders von der Geistlichkeit Unter- und Oberitaliens einschliesslich Siciliens gesucht, so lange sie schnupfte und nicht rauchte. Doch mit der primitiven Einrichtung, die alle Türkischrothfabriken kennzeichnete, liess sich der Uebergang nicht bewerkstelligen. Die gute, alte Zeit, in der man mit einigen Luft- und Hitzthürmen, einem beschränkten Inventar von Waschrädern, kupfernen Färb- und Arivirkesseln, ohne Dampf und mit mässiger Wasserkraft grosse Werthe erzeugte, war vorüber; mit den neu aufgenommenen billigen Fabricaten war ein nennenswerther Umsatz nur durch Erhöhung der Production zu erreichen, welche vollkommene maschinelle Ein­richtung und diese wieder Kraft- und Dampfverbrauch voraussetzte. Die unabweisbar gewordene Reorganisation des Etablissements von Grund aus erfolgte 1870: die meisten Bauten aus den Zwanzigerjahren und von früher wurden demolirt; an ihrer Stelle erhob sich ein Neubau mit Installation des ersten Dampfkessels und der ersten Dampf­maschine. Leider w T ar nicht zugleich ein Schritt weiter geschehen zur Einführung des Rouleauxmaschinendrucks für die billigen Erzeugnisse in Tüchelwaare; das herrschende, unglückselige »Appreturverfahren« lähmte eben den Unter­nehmungsgeist. So kämpfte denn der Handdruck, dessen Niedergang die Combination mit der wenig productiven und nur zu eincouleurigem Druck befähigten Planche-plate-Maschine nicht aufzuhalten vermochte, völlig aussichtslos mit dem Walzendruck im Wettbewerbe. Der Uebergang zu diesem vollzog sich durch die Aufstellung der ersten Vierfarben-Tücheldruckmaschine im Jahre 1876, welcher bis 1886 drei weitere ebensolche nachfolgten, womit eine entsprechende Erweiterung der Baulichkeiten und der maschinellen Einrichtung Hand in Hand gieng. Seitdem ist das Fabricat der Firma, das sich die Ebenbürtigkeit mit demjenigen erster Häuser erst Schritt für Schritt erobern musste, in ganz Oesterreich-Ungarn eingebürgert und verschaffte sich auch in Rumänien, Brasilien und Argentinien erfreu­lichen Absatz.

Kein anderes Land kommt unserer Monarchie in dem Consum in Kopf-, Hals- und Brusttüchern nahe, während in dem viel geringeren des Taschentuchs. die niedrige Bildungsstufe grosser Bevölkerungsschichten zum Ausdruck gelangt. Nicht nur der Brauch, dass die mährische Bäuerin, je reicher sie ist, desto mehr Rouge- tüchel über einander gelegt am Arme trägt, oder dass bei kroatischen Hochzeiten alle Gäste mit rothen Tücheln beschenkt, die Ohren der Pferde damit behängt werden, naht seinem Ende, sondern überhaupt wird dem Tuche als solchem der Absatz eingeengt durch die billigen Erzeugnisse der Confection; das Kopftuch muss dem modischen Stroh- und Filzhut weichen, das Halstuch den tricotirten und fiiochirten Umhängen aller Art.

Um von diesem unaufhaltsamen Process nicht überholt zu werden, richtete sich die Firma im Jahre 1897 auch für lange Waare ein, durch die Aufstellung dreier Druckmaschinen, die neue Reformen der inneren Einrichtung begleiteten, ebenso sehr geboten durch die Fortschritte der Maschinentechnik, als durch die Einführung neuer Fabrications- methoden. Das Etablissement arbeitet nun mit 7 Druckmaschinen von 4 bis 8 Farben (Mather Platt und Elsässische Maschinenfabrik); 9 Dampfkessel (zur Hälfte Tenbrink, zur Hälfte Cornwall) von 6 x / 2 bis 8 Atmosphären Span­nung und zusammen circa 800 Quadratmeter Heizfläche mit 2 Dampfmaschinen von 280 Pferdekräften (alles Gebrüder Sulzer) unterhalten den Betrieb. Die Bleicherei wurde nach dem System Thies-Herzig eingerichtet; zum Dämpfen, Waschen, Seifen, Chloren und Trocknen dienen die zum Continuebetrieb combinirten Apparate der Elsässischen Maschinenfabrik; das Appretiren geschieht auf Ein- und Zweietagenrahmen von Weissbach; das Graviren besorgt das eigene Atelier mit fünf Pantographen, zw r ei Molettirstühlen und zahlreichen Handgraveuren. Den Verkehr aller Abtheilungen unter einander vermittelt eine Menge von Schienensträngen, und ein Normalgeleise von x / 2 Kilometer Länge verbindet das Etablissement mit dem Bahnhofe Hard-Fussach. Der Druckfabrik zunächst liegt die Villa des Besitzers, des Coloristen und Procuristen und zerstreut nach verschiedenen Richtungen des Dorfes 26 Meister- und Arbeiterwohnungen mit Gärtchen.

So sehr heute die Existenz der Firma auf Rouleauxdruck beruht, ist das alte Türkischroth trotz Alizarin- und Paranitranilinroth noch immer ein gepflegter Artikel, dem dank seiner Echtheit und der Originalität seiner Dessinirung viele Gegenden noch zugethan sind, so einige Gebiete des Pilsener Bezirkes in Böhmen, ferner die slavischen Theile um Iglau, Ungarisch-Hradisch, Ungarisch-Ostra und Raussnitz in Mähren. Die Umgebung von Sternberg und Zuck­mantel behielt das braunbödige schmalkantige Tüchel, die Huzulen und Mazuren die bunten, rothbödigen grossen Shawls als Nationaltracht bei. Am ausdauerndsten hält an ihr noch der ungarische Bauernstand fest, und deshalb bleibt im eigentlichen Ungarn das türkischrothe Tuch auch in der Gegenwart eingebürgert, von Rumänen und Slovaken desto mehr begehrt, je greller und lebhafter es in Dessins und Farben prangt; die letztjährigen Volks­feste in Gödöllö und Kisber zu Ehren des Königs von Siam bekundeten, wie das altehrwürdige Fabricat noch immer mehr ist als nur Bühnenaufputz zur Cavalleria rusticana, dass es, mit festen Wurzeln in Geschmack, Neigung und Sitte einer Nation eingesenkt, als Nationaltracht noch hinübergenommen werden wird ins zwanzigste Säculum.

Die Firma beschickte während ihres einunddreissigjährigen Bestandes nur eine Ausstellung, die des Jahres 1873 in Wien, bei welcher ihr die Verdienst- und Fortschritts-Medaille zuerkannt wurde.

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