Die Fabrication erstreckte sich zu Beginn des Jahrhunderts vornehmlich auf glatte Waaren, auf die sogenannten »Schockleinwanden«, wohl auch auf gemusterte Leinenwaaren, welche aber alle bis zum Jahre 1824 ausschliesslich »mit Zug« hergestellt wurden, woher der noch heute geläufige Ausdruck »gezogener Weber« stammt. In diesem Jahre aber brachte der Webermeister Florian Schneider den ersten Jacquard-Webstuhl und die erste Kardenschlagmaschine nach Freudenthal, wahrscheinlich aus Gross-Schönau in Sachsen, wo zu jener Zeit schon die Damastweberei in hoher Blüthe stand.

Von da ab entwickelte sich nun daselbst neben der vermehrten Leinenweberei auch die Damast­weberei, die Erzeugung gemusterter Waaren, als Zwillich, Gradei, Tischzeug, Kaffeetücher aus reinem Leinengarn oder auch gemischt mit Baumwolle und Seide. Den grössten Absatz hiefür boten nunmehr die Märkte von Wien, Brünn, Prag und Pest. In Freudenthal wuchs die Zahl der Webermeister bald bis auf nahezu 400, welche mit dem nöthigen Hilfspersonale theils für eigene Rechnung, theils für die grösseren Fabrikanten arbeiteten. Bis in die Jahre 1840 bis 1850 wurden meist Handgarne auch für Damastwaare verarbeitet, doch entstanden, zufolge des bedeutenden Aufschwunges der Leinen-Industrie jener Zeit, anfangs der B'ünfzigerjahre auch in Freudenthal und Umgebung rasch hintereinander mehrere Flachs­spinnfabriken.

Der in den Fünfzigerjahren sich hebende Garnhandel liess auch grössere Häuser dieses Geschäfts­zweiges für die Vermittlung inländischer und ausländischer Garne entstehen.

Bedeutendere neu begründete Leinenwebehandlungen machten einen Theil der Erzeugnisse den Städtern zugänglich, während die Landbevölkerung durch Hausirer den Bedarf an Leinen zu decken pflegte.

Zwirnerei und Seilerei, wohl meist nur als Haus-Industrie betrieben, schufen damals lohnenden Erwerb für diejenigen, welche sie ausübten, solange der maschinelle Betrieb und seine Concurrenz deren Fortbestand keinen Eintrag that.

Mit dem Emporblühen der Leinenweberei und Spinnerei entstanden gleichzeitig auch Bleichen und Färbereien, die durch ihre günstige Lage im Oppathale und die rege Thätigkeit der Unternehmer die W^eberei von damals bis auf den heutigen Tag kräftigst unterstützten.

Die Leinen-Industrie erreichte in der Mitte der Sechzigerjahre, während des amerikanischen Krieges, auch in Mähren die grösste Bedeutung, trotzdem nur ausschliesslich Handwebestühle im Betrieb waren. Erst zu Anfang der Neunzigerjahre entstanden in Freudenthal zwei mechanische Webereien, von welchen besonders jene der Firma Johann Plischke & Söhne für die Erzeugung von Leinwänden und Tisch­zeugen, sowie Leinenrohwaaren in allen Ausführungen, namentlich solcher für industrielle Zwecke, von Bedeutung geworden ist.

Nach der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 entwickelte sich nach und nach ein bedeutender Export nach Nordamerika hauptsächlich in guten Tischzeugen, Handtüchern, Kaffeetüchern u. a. m., welcher in den Achtzigerjahren seinen Höhepunkt erreichte und Freudenthal zu jener Zeit zu einem Weltrufe verhalt.

Die belgische, englische und schottische Leinen-Industrie, die, mit weit mehr Mitteln ausgerüstet, der österreichischen Industrie leichthin Concurrenz machen konnte, schmälerte bald, schon zu Anfang der Neunzigerjahre die Umsatzmengen des Exportes nach Amerika, was man einigermaassen durch inländischen Absatz auszugleichen versuchte.

Der Erfolg war ein nur theilweiser. Die Erzeuger stiessen zu dieser Zeit und noch heute bei der Einführung ihrer Leinenwaaren auf grosse Schwierigkeiten, indem sehr viele Consumenten, darunter die grössten und maassgebendsten, insbesondere das hohe Militärärar, Gewebe aus Baumwolle wegen ihrer Billigkeit vorzogen, so dass diese Thatsachen in Verbindung mit dem Rückgänge des Exportes vermöge hoher Schutzzölle der fremden Staaten und die für die Leinen-Industrie ungünstige Gestaltung unserer Handelsverträge einen starken Rückschlag auf die Entwickelung der österreichischen Leinen-Industrie üben mussten.

So ist denn die eigentliche Handweberei, welche als Haus-Industrie in den Sudeten-Abdachungen blühte, in den letzten Jahren des unlohnenden Verdienstes wegen sehr zurückgegangen. Das betrifft haupt­sächlich die mittleren und gröberen Waaren. Nur die feineren Waaren werden auch jetzt noch besser bezahlt, aber an geschickten Arbeitern für diese ist Mangel.

Seit dem Aufschwung nach den französischen Kriegen 1812 bis 1820 ist die Entwickelungs­geschichte der Leinengewerbe immer mehr getragen von den einzelnen grösseren unternehmenden

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