verdient haben, und die es am meisten für ihre Pflicht betrachten, ihre Dankeshuldigung für ihre grosse Entwickelung unter seinem mächtigen Scepter zum Ausdrucke zu bringen.

Die Leinen-Industrie Oesterreichs kann sich in der That rühmen, die Consumentin eines der wich­tigsten landwirtschaftlichen Producte der Heimat, aber zugleich auch eine der wenigen Export-Industrien unseres Vaterlandes im wahren Sinne des Wortes zu sein, da deren Export ganz bedeutend den Import übersteigt, und sie mit ihren Waaren das Ausland zum Consuni heranzieht. Sie ist eine der öster­reichischen Industrieen, welche trotz geringen Zollschutzes die fremde gleichartige Waare im Inlande nicht zu fürchten braucht und die hohen Schutzzölle ihrer Absatz-Länder wenn auch nur unter Opfern zu überwinden vermag. Unter den Textil-Industrien Oesterreichs, deren Gesammteinfuhrwerth (im Jahre 1896) 28-7%, und deren Gesammtausfuhrwerth i2'57°/ 0 der' Summe aller Handelsbilanzwerthe des Jahres in Anspruch nahm Textilwaaren wurden für 209,259.219 fl. eingeführt und für 98,766.624 fl. ausgeführt, so dass die ganze Monarchie 110,492.595 fl. baar jährlich für ihre Bekleidung ins Ausland schicken musste ist die Leinen-Industrie die einzige, die mehr exportirte. Im Jahre 1896 führte sie unter Hinzuzählung der Rohstoffefür 10,700.565 fl. Leinenwaaren ein, für 18,027.390 fl. aus, so dass das Ausland um 7,326.825 fl. mehr Leinenwaaren der österreichischen Industrie abnahm. An der Einfuhr hatte der Rohstoff mit 8,443.405 fl. den Hauptantheil, an der Ausfuhr dagegen fast gleichmässig die Garne mit 7,006.497 fl. und die Leinenweben mit 7,133.644 fl., jedoch auch die Leinenwäsche mit 1,545.526 fl.

Mit diesen Zahlen ist das ganze Getriebe dieses grossen österreichischen Interessengebietes, das den heimischen Flachsbau und das Leinengewerbe umfasst, angedeutet. Einen klareren Ueberblick über dasselbe ermöglicht uns erst die Gruppirung nach seinen grossen Zweigen, deren jeder wieder ein Lebens­und Erwerbsgebiet für sich repräsentirt: und zwar die landwirtschaftliche Urproduction, die Gewerbe der Flachshändler, Flachsröster, Flachsbrecher und der Leinsamenhändler, die Flachsspinnereien und Zwirnereien, die Leinen-, Garn- und Waarenbleichereien, die Leinenwebereien, die Gruppe der Garn- und Leinwand­händler und der Confectionäre, welch letztere indessen der Leinen-Industrie nicht mehr ganz angehören. Diese bilden zusammen den grossen Kreis der Flachs- und Leinen-Interessenten.

Die Statistik lehrt uns, obwohl eine ganz genaue Zusammenstellung wohl ausserhalb der praktischen Möglichkeit liegt, dass ungefähr 80.000 bis 90.000 Hektar in Oesterreich jährlich mit Flachs bebaut werden, die beiläufig 190.000 Metercentner Leinsamen im Werthe von circa 2,000.000 fl. und gegen 400.000 Metercentner Flachs im Werthe von circa 12,000.000 fl. liefern. Von dem Leinsamen wird ein Theil zu F'utterzwecken, ein Theil zum Wiederanbau, ein Theil zur Oelschlägerei, ein Theil aber zur Ausfuhr benützt (1896: 37.941 Metercentner im Werthe von 417.351 fl.), während eine grosse Menge von fremder Leinsaat, theils zur Auffrischung heimischer Säesaat zum Anbau, theils aber, und zwar zum weitaus grössten Theile, für die Oelschlägereien eingeführt wird. (1896: 123,211 Metercentner im Werthe von 1,112.846 fl.)

Von der inländischen Faser bleibt ein sehr grosser Theil im Besitze des Landwirthes, der wohl auch noch in gewissen Bezirken nach alter Weise den Flachs selbst zu Garn verspinnt und im Dorfe verwebt. Elin anderer Theil wird von der österreichischen Spinnerei-Industrie verarbeitet. Im Jahre 1894 bis 1895 verspannen die österreichischen Spinnereien 174.998 Metercentner einheimischen Flachses im Werthe von fast 6,000.000 fl. Da aber leider der Flachsbau stetig im Rückgänge begriffen ist, konnten die Spinnereien damit nur mehr 41-2% ihres Bedarfes decken und mussten den übrigen Rohstoff aus dem Auslande beziehen. Vor dreissig Jahren noch betrug der Antheil des heimischen Flachses an dem Verbrauche 80%.

Und doch ist auch der Flachs als Rohstoff nicht unbedeutend an unserer Ausfuhr betheiligt. Der F'actor, welcher hier eine grosse Rolle spielt, ist das landwirthschaftliche Gewerbe der Flachshändler und Flachsbrecher, welches in grösserem Maasse seit etwa dreissig Jahren besteht und seine eigentliche Heimat im Reichenberger Handelskammerbezirke hat. Mehr als 300 Brechhäuser bearbeiten im Winter theils heimischen, theils aber, an der preussisch-schlesischen Grenze in Merkelsdorf, Adersbach und Wekelsdorf, auch schle­sischen Strohflachs zur Wiederausfuhr nach Schlesien. Sie geben im Winter mehr als 4000 landwirth- schaftlichen Arbeitern ihren Erwerb und produciren jährlich nahezu 150.000 Metercentner bearbeitete Flachsfaser im Werthe von circa 4,000.000 fl. Die hohen Frachttarife im Inlande und der gesunkene Flachspreis sind deren grösste Feinde, und auch hier hat man es versucht, durch Gründung des erst zwei Jahre bestehenden Vereines der Flachshändler und Flachsbrecher im Gerichtsbezirke Wekelsdorf mit vereinten Kräften den drohenden Verfall aufzuhalten.

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