In den noch gegenwärtig bestehenden Flachsspinnereien Oesterreichs arbeiten fast 300.000 Flachs­spindeln mit ungefähr 6000 männlichen und 9000 weiblichen Arbeitern, die eine Lohnsumme von circa 3,500.000 fl. jährlich verdienen. Sie produciren etwa 630.000 Schock Flachs- und Werggarne imWerthe von circa 20,000.000 fl. Weit mehr als ein Drittel dieser Production muss aus Mangel an inländischem Absätze seinen Markt im Export suchen, der sich grösstentheils nach Deutschland, Italien, England und Belgien richtet. Im Jahre 1896 wurden 80.876 Metercentner Garne im Werthe von 7,006.497 fl. ausgeführt, denen aber an Import nur 8960 Metercentner im Werthe von 1,579.144 fl. gegenüberstehen.

Mehr als zwei Drittel aller B lachsspinnereien Oesterreichs gehören noch heute dem Reichenberger Handelskammerbezirke an.

Der Hauptgegenstand der Production und des Exportes der österreichischen Flachsspinnerei sind die einfachen rohen Flachsgarne bis zur Beinheit Nr. 100 und die Flachswerggarne, gegenüber welchen alle anderen Garngattungen nicht ins Gewicht fallen.

Die bestehenden Leinenbleichereien hier alle aufzuführen, würde den Rahmen dieser Darstellung überschreiten, auch ist die Grenze zwischen den klein- und grossgewerblichen schwer zu ziehen. Die grossen chemischen Kunst-Bleichen aber trennen sich theilweise durch ihre Betriebsspecialität, welche sich häufig auf Leinengarne allein oder auf Leinenwaaren beschränkt (Garn- und Stückbleichen).

Von einer Exportlage kann man hier nur mittelbar sprechen. Ihre Geschäftslage bessert sich aber in dem Maasse, als der Begehr gebleichter Waare im Zunehmen begriffen ist und ihre steigende Vervoll­kommnung sie allmählich ihrem ausgezeichneten Vorbilde, der irischen Leinenbleiche, nahekommen lässt.

Im Kammerbezirke Reichenberg, ihrem Hauptgebiete, zählte man 1896 15 grössere selbständige Kunstbleicherei-Betriebe mit 50 Kochern, einer Arbeiterzahl von circa 650, einer Lohnsumme von circa 200.000 fl. und einem Umsatz von etwa 1,000.000 fl. jährlich. Eine grössere Zahl von Webereien hat aber Bleichen als l'heilbetriebe ihrer Production eingerichtet.

Aber gleich der Spinnerei muss auch die Leinenwebeproduction weit mehr als ein Drittel exportiren, da der einheimische Consum immer mehr durch Baumwolle und Jute zurückgedrängt wird. Bisher konnte die Ausfuhr sich noch stets auf gleicher Höhe erhalten, erreichte sogar im Jahre 1896 eine Steigerung bis auf 7,133.644 fl. Dass die Leineneinfuhr dagegen kaum der Rede werth ist und im Jahre 1896 nur 398.491 fl. betrug, beweist einestheils einen überhaupt geringen Leinwandconsum im Inlande, anderntheils aber, dass die altösterreichische Leinen-Industrie einer fremden Fabrication, trotz geringer Schutzzölle, noch weit überlegen ist. Besonders darf aber Oesterreich auf seine heute noch jedem Concurrenten ebenbürtige Gebildweberei, seine Kunst- und Damastweben, seine Zwillich-, Drillich-, seine Tücherfabrication stolz sein, deren erste Repräsentanten (siehe oben) Freiwaldau (Regenhart und Raymann), Mährisch-Schönberg (Carl Siegl sen., Eduard Oberleithners Söhne u. a. m.) und das Trau- tenauer Gebiet mit Hermannseifen (J. A. Kluge), Parschnitz (Gebr. Walzel), Arnau (Gebr. Steffan), Starken­bach, Blipel (Eduard Morawetz) u. a. m. sind.

In der Leinenweberei ist, wie schon oben ausgeführt, der Grossbetrieb vollständig zum Durchbruch gekommen, sei es im Wege des sogenannten »Verlages« oder vielmehr der Arbeitsvergebung an Hand­weber durch grosse Bärmen, sei es, dass diese letzteren selbst mechanische Webereien errichtet haben. Die Zahl der mechanischen W T ebstühle ist zwar steigend, aber kaum im Verhältnis zum Rückgänge der Handstuhlarbeit. Die noch bestehende Zahl der Leinenhandstühle ist kaum verlässlich zu erheben. Bis mögen viele Hundert ausser Betrieb in den Bauernstuben der nordböhmischen, mährischen und schle­sischen Gebirge stehen; auch sonst sind sie nur nach dem Ende der B'eldarbeit in Bewegung, es sei denn, dass der Weber im festeren Auftrags- oder Dienstverhältnisse des Grosskaufmanns steht. Viele verarbeiten ja auch Baumwolle. Im Reichenberger Kammerbezirke allein schätzte man 1000 mechanische Stühle, und an Handstühlen könnte die Zahl 15.000 Stühle noch übersteigen.

Man wird kaum zu hoch greifen, wenn man die jährliche Gesammtproduction Oesterreichs an Leinengeweben auf 20,000.000 fl. schätzt, die Zahl der Arbeiter und Weber auf 30.000 und die von ihnen verdiente Summe auf 5,500.000 fl.

Unter denjenigen Ländern, welche am liebsten und am meisten die österreichische Leinwand aufnehmen, stehen in erster Linie das Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, welch letztere sogar von den feineren Leinenwaaren, die überhaupt neben der ungemusterten rohen

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