Schwierigkeiten, trotzdem sie mit dem theuren Bezüge ausländischer Halbfabrikate zu rechnen haben und auch anderweitige Hindernisse reichlich vorhanden sind, mit Aufwand von grossen Kosten und Mühen wenigstens den inländischen Markt zu erobern trachten, und ist ihnen dies zum Theil auch schon gelungen.

Der Vorarlberger Sticker ist im Allgemeinen hinsichtlich seiner technischen Fertigkeit noch nicht auf der Höhe, aber auch hier ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit Wandel zum Bessern eintritt. Die Fach­schule in Dornbirn, welche am i. December 1891 errichtet wurde, entfaltet unter tüchtiger Leitung eine gedeihliche Wirksamkeit, die sich sicher in der Vervollkommnung der technischen Fertigkeit des Vorarlberger Stickers äussern wird. Freilich ist damit für die Selbstständigkeit Vorarlbergs auf dem Weltmärkte noch lange nicht Alles gethan. Das Haupthindernis ist der Mangel der Veredelungs-Industrien, der sich auch nicht so leicht beheben lässt. Die Stickerei-Industrie, wenn sie selbstständig betrieben werden soll, ist ein so viel­gestaltiger Mechanismus, wie er nicht leicht in einem anderen Industriezweige sich findet, und der es auch ausserordentlich schwer macht, die Stickerei in ein anderes Land zu verpflanzen. Sie steht in untrennbarem Zusammenhänge mit vielen anderen Industrien, Bleichen, Appreturen, Ausrüstereien, Cartonagenfabriken etc. Die Schweiz steht in der Veredelungs-Industrie an hervorragender Stelle und hat für dieselbe kolossale Capitalien aufgewendet. Dem Schweizer Fabrikanten steht deshalb eine grosse Anzahl von Bleichereien und Appreturanstalten in allernächster Nähe zur Verfügung; das fehlt in genügender Vervollkommnung heute noch in Vorarlberg. Auch der Mangel an geschickten Handarbeiterinnen macht sich fühlbar. Es gibt bei der Stickerei eine Menge Handarbeiten, die an die Confection streifen; das Auszacken der Festons, das Ausschneiden der Applicationen, das sogenannte Ausspachteln und Ziehen der Hohlsäume, die Hand­arbeiten nach der Bleiche und Appretur erfordern geschickte Arbeiterinnen, welche nur durch lange Uebung herangebildet werden können.

Was endlich die Absatzverhältnisse der Stickerei Vorarlbergs anbelangt, so ist in erster Linie Nord­amerika zu nennen. Nordamerika ist seit dem Bürgerkriege der für die Lage der Stickerei ausschlaggebende Consument geworden und ist es bis heute geblieben. Bei dem Charakter der vorarlbergischen Stickerei- Industrie als Lohn-Industrie stehen leider keine Ziffern zur Verfügung, welche die Versorgung des nord­amerikanischen Marktes mit Vorarlberger Waare illustriren würden; dass sie ausserordentlich bedeutend ist, zeigt der unmittelbare Rückschlag, welchen jeder Rückgang auf dem amerikanischen Markte auf Vorarlberg ausübt. Die nächstgrössten Abnehmer sind England und Frankreich, obwohl, und zwar hauptsächlich in der Umgebung von St. Quentin und St. Denis, die Stickerei in der Blüthe steht, dann die übrigen europäischen Länder, der Orient, Indien und Südamerika.

Im Grossen und Ganzen ergibt sich aus dem Gesagten kein unerfreuliches Bild. Die Stickerei-Industrie hat einem grossen Theile der Bevölkerung die lohnende Verwerthung ihrer Arbeitskraft ermöglicht und dieser Erfolg ist umso werthvoller, als seine Grundlage zu einer Zeit gelegt wurde, wo eine andere Erwerbs­quelle, die Handweberei, zu versiegen begann, um allmählich ganz zu verschwinden. Die Stickerei-Industrie hat sich, getragen von günstigen Conjuncturen, rasch entwickelt, wenigstens was die Ausdehnung ihres Be­triebes anbelangt, allein es ist ihr nicht leicht gemacht, sich aus eigener Kraft voll zu entfalten. Der Druck, den die Concurrenz der Schweiz auf sie ausübt, ist zu gross, als dass sie sich mit einem Ruck davon befreien könnte. Dazu wird es emsiger und zielbewusster Arbeit bedürfen, aber auch einer weitgehenden Unterstützung und Förderung seitens der maassgebenden Factoren, die sich damit den Dank des ganzen Landes verdienen, für das die Stickerei-Industrie eine Lebensfrage ist. Nur dem Zusammenwirken Aller wird es gelingen, diese Industrie, welche, darüber besteht kein Zweifel, einer intensiveren Entwickelung fähig ist, auf jene Höhe zu heben, welche die einzige Garantie für ihre weitere gedeihliche Entwickelung bildet. An That- kraft, Intelligenz und Ausdauer fehlt es dem Vorarlberger wahrhaftig nicht. Wird diese erste Voraussetzung unterstützt durch Heranziehung eines tüchtigen und geschickten Arbeitermateriales, durch Erleichterungen in der Beschaffung der Rohstoffe und Halbfabrikate, durch die Begünstigung der Gründung von Veredelungs- Industrien, dann wird man auf dieser Grundlage weiter bauen können. Vielleicht kommt dann einmal die Zeit, wo der Gedanke, die Stickerei-Industrie Vorarlbergs auf eigene Füsse zu stellen, seiner Verwirklichung näher rückt. Ein Blick auf die Leistungen der Schweiz zeigt wohl, wie weit der Weg bis dahin noch ist. Er sollte aber für unsere einheimische Arbeit nichts Entmuthigendes haben. Lernen und wieder lernen, niemals rasten sei auch hier die Losung, dann wird es uns wohl einst vergönnt sein, von der kraftvollen Blüthe der von eigener Kraft, von selbstständigem Schaffen getragenen Stickerei-Industrie Vorarlbergs zu berichten.

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