kommene Professionisten, die sich in dem glänzenden Elend des damaligen Soldatenstandes ihres früheren Nadel­handwerks erinnerten und aus der winkelmässigen Ausübung desselben eine Zubusse zu der kargen Besoldung und Verpflegung herauszuschlagen trachteten. Ebenso stand es mit den Militärborten und Posamenten, die gleichfalls massenhaft durch Regiments-Professionisten erzeugt wurden. Selbst bei der Wiener Garnison gieng es nicht anders zu. Noch um 1727 konnte man, wie Reisende jener Zeit berichten, sogar bei der kaiserlichen Fussgarde, welche die Wache an den Stadtthoren bezog, oft genug Soldaten antreffen, die während des Postendienstes sans gêne auf dem Bänkel draussen am Glacis sassen und ungescheut coram publico und unter den Augen des Commandanten ihre professionellen Hantirungen ausübten. Die Officiere waren eben zur Duldung solcher Missbräuche »wegen des sonst schlechten Unterhaltes der Mannschaft« gezwungen.

Diese und ähnliche Zustände waren übrigens dazumal in ganz Europa gang und gebe, bis erst die von Friedrich Wilhelm I. in Preussen eingeführte Heeresreform das Uebel an der Wurzel erfasste. Friedrich Wilhelm I., ein entschiedener und treuergebener Freund des Wiener Hofes, decretirte die Abschaffung des Werbesystems, liess den Truppen den Sold aus der königlichen Casse bezahlen und erhob die Officiere seiner Regimenter zum ersten Stand im Staate, den er durch unerhörte und glänzende Prärogative auszeichnete. Er ist somit zum Begründer des modernen Militarismus und der stehenden Heere geworden.

In Oesterreich vollzog sich die moderne Reform und Umgestaltung des Heerwesens im Gefolge der ge­schichtlichen Ereignisse der schlesischen Kriege und des siebenjährigen Krieges. Ihr Schöpfer war kein Ge­ringerer als der »deutsche Fabius Cunctator«, Feldmarschall Graf Josef Leopold Daun, der Sieger von Hochkirch und Kolin und Begründer der Wiener-Neustädter Militär-Akademie. Seine Armee-Reformen, berühmt unter dem Namen des »Daunschen Reglements von 174g«, griffen bewusst und energisch neugestaltend in alle Verhältnisse des österreichischen Heerwesens ein, so natürlich auch in alle Uniformirungsfragen, welche nunmehr durch strenge Vorschriften echt militärisch geregelt wurden.

Die kriegerisch glänzenden und grossartigen bunten Reiterschaaren, welche die ungarische Nation der be- drängten_Kaiserin Maria Theresia nach deren berühmtem Aufrufe auf dem Pressburger Reichstage stellte, brachten damals ein völlig neues, allgemein bewundertes Truppenelement in die europäischen Heere. Bald musste jede Ar­mee, jeder fremde Kriegsherr seine »Husaren« haben. Und so gross war der cavalleristische Effect und die wilde, niederstürmende Bravour der ungarischen Reiter, dass der Name Husar (zu Deutsch: »Ein Reiter auf zwanzig Häuser repartirt«) in alle Armeesprachen und die kleidsame ungarische Nationaltracht von allen Uniformirungen der fremdländischen Heere übernommen wurde.

Mächtig hoben sich nun auch in jenen bewegten Zeitläuften alle jene Gewerbe und Künste des Friedens, welche sich mit der Befriedigung des immer mehr gesteigerten Heeresbedarfes beschäftigten. So auch dieMilitär- Posamenterie. Dieser wandten sich eine ganze Reihe von Firmen zu. Allen voran und weitaus am leistungs­fähigsten trat der damalige Begründer des Hauses Thill auf den Plan. 1 )

Die Uniformirung der neuen Husaren-Regimenter bestand, wie bereits hervorgehoben wurde, in einer ausser­ordentlich gelungenen militärischen Idealisirung der magyarischen National-Costüme, welche die ungari­schen Reiter zur-kaiserlichen Armee mitgebracht hatten. Diese Volkstracht der kriegerischen Arpadsöhne war aber vollständig verschieden von den alten kumanischen Eisenhemden und Kürassen der »Hungarischen Bantzer- Stecher«, welche der berühmte Abraham a Sancta Clara noch um 1703 in Wien gesehen und deren Ausrüstung er ausführlich beschrieben hat. Einige dieser alten Husarenpanzer befinden sich noch heute wohlerhalten im Besitze des k. und k. Heeres-Museums, darunter auch der kugeldurchlöcherte Kürass und das »Hirnhäubel« des 1652 bei Nagy-Veszkeny gefallenen Grafen Ladislaus von Eszterhäzy-Galantha. Thatsächlich würde heute wohl Niemand in diesem mittelalterlichen Rüstzeug die Vorläufer der modernen, seit Maria Theresias Zeiten eingeführten Husaren- Uniform zu erkennen im Stande sein !

Mit der Uniformirung und kriegsmässigen Ausrüstung der ins Feld rückenden, neu aufgestellten Regimenter beschäftigte sich dazumal sogar eine eigens hiezu neu geschaffene Militärbehörde, die k. k. Haupt-Monturs- Commission. Die Kriegsarchive jener bewegten Zeit enthalten ganze Listen der dazu ausgewählten Lieferanten. Sogar die aus Ungarn mitgebrachten Schwerter und Hiebwaffen der neu uniformirten Reiter wurden durch eine neue Säbeltype, den eigentlichen schneidigen Husarensäbel ersetzt. Anfangs wurde derselbe zu Tausenden in der »Fabrique von Pottenstein«, sodann aber auch von namhaften Schwertfegern in Wien und Wiener-Neustadt geschmiedet. Später bezog das k. k. Kriegsärar die Husarenklingen aus dem »Reich«, von »Solingen«, dessen Waffenfabrication die inländische damals mit Erfolg im Preise unterbot!

Concurrenzlos behauptete sich die Firma Thill, beziehungsweise deren damalige Begründer und Inhaber in der Lieferung der so charakteristischen Posamenterie-Verschnürungen für die neuen Cavallerie-Regimenter der

') Es war dies der Bürger und Posamentirmeister Johann Friedrich Hölzl, welcher, wie in den Wiener Genossenschaftsbüchern der Posamentirer verzeichnet ist, sein Geschäft am 15. Februar 1761 eröffnete. Johann Friedrich Hölzl führte das Geschäft mit gutem Erfolge bis 25. Mai 1795 fort, an welchem Tage es sein langjähriger Mitarbeiter Josef Perl übernahm. Dieser starb jedoch schon 1802; seine Witwe Anna Perl (geb. Kress) führte das Geschäft unter der Firma Jos Perls Wwe. bis 1814 weiter. Dasselbe befand sich dazumal auf dem Wendelstadt-Grund im Hause »zum goldenen Sattel« (heute VII., Burggasse 40). Eine Niederlage der Firma befand sich auch damals in der Innern Stadt, und zwar am Stock-im-Eisenplatz, Ecke der Krautgasse. Durch die Verheiratung der einzigen Tochter Perls mit dem wohlhabenden Schnitt- und Spezereiwaarenhändler Franz Thill kam das Perl'sche Geschäft an die Familie der heutigen Firmainhaber. Thill besass selbst ein gut gehendes Geschäft, den heute noch immer an derselben Stelle befindlichen Laden »Zum weissen Lamm« in der Josefstadt, Ecke der Strozzi- und Josefstädterstrasse. Nach seiner Verheiratung widmete er sich jedoch ausschliesslich der Posamenterie und führte die Firma nach Ableben seiner Schwiegermutter unter eigenem Namen fort. Franz Thill übersiedelte 1829 nach Altlerchenfeld Nr. 109 (heute Josefstädterstrasse 69). Dortselbst verblieb die Firma volle sechzig Jahre, bis 1889. Als gegen Ende der Achtzigerjahre der maschinelle Betrieb eingeführt werden musste und das alte Josefstädter Fabrikshaus sich hiezu als unzureichend erwies, erwarb die Firma Thill ihr heutiges grosses Fabriksgebäude in der Dreilaufergasse 15.

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