Theresianischen Armee. Die Firma lieferte diese Posamenten sowohl für die Escadronen, wie für die Officiere in allen durch die Rangstufen bedingten Distinctions- und Qualitäts-Verschiedenheiten. Man kann sagen, dass eigentlich die Firma Thill durch ihre ausserordentlich stylgerechten Arbeiten damals wesentlich dazu beigetragen hat, den so originellen und äusserst charakteristischen Typus der modernen Hu- saren-Uniform in allen europäischen Armeen für immer festzustellen. Liegt doch hier thatsächlich das entscheidende, stylistische Moment lediglich in der äusserlichen Anbringung der in ihrer Art einzigen Posa- menterie und Verschnürung nach ungarischem Nationalgeschmack. Ihren Leistungen entsprechend, gestalteten sich auch die der Fima zu Theil gewordenen Lieferungsaufträge sehr bedeutend.

Abgesehen von einigen grösseren Bestellungen, welche der Hof-Kriegsrath allerdings schon früher bei der Prager Judenschaft für vereinzelte militärische Bedarfszwecke gemacht hatte, waren grosse Ordres für Rechnung des Kriegsärars und des Staates für die damalige Industrie etwas vollständig Unbekanntes und Neues. Man kann daher den ungeheuren Ansporn für die gesammte Industrie beurtheilen, als an die österreichischen, und zwar be­sonders die Wiener Gewerbetreibenden der Ruf ergieng, eine ganze, eben erst wie aus dem Boden gestampfte Armee feld- und regelmässig einheitlich uniformirt zu adjustiren und zu bewaffnen! Wer hätte eine derartige Inanspruch­nahme der Industrie für Heeres-Ausrüstung auch nur geahnt, wo wenige Jahrzehnte früher noch ein bayrischer Fürstbischof sein Reiterregiment, die »Bambergischen Kürassiere«, mit Haut und Haar an Oesterreich verkauft hatte, und neben anderen ausländischen Soldtruppen noch bis 1719 stets drei Schweizer Regimenter und noch ein halbes Dutzend Schweizer Compagnien für kaiserliche Dienste angeworben waren und sich in denselben sogar ihrer Schweizer Fahnen weiterbedienten.

Von den umfangreichen Aufträgen, welche damals an die Firma Thill ergiengen, sei insbesondere ihre hervorragende Betheiligung an der Herstellung der Militär-Posamenten für folgende Regimenter angeführt:

1. die berittenen Grenadier- und Carabinier-Compagnien der Regimenter Zweybrücken, Serbelloni, Buccow, Anspach und ODonell;

2. für Palffy-, Miglio-, Trauttmansdorff-, Modena- und Berlichingen-Kürassiere;

3. für Bournonville- und Löwenstein-Chevauxlegers;

4. für Savoyen- und Saint-Ignon-Dragoner, und schliesslich

5. für die Karolyi-, Nadasdy-, Hadik- und Cantacuzeno-Husaren.

Am dankbarsten und begehrtesten von Allen waren natürlich die Husaren-Posamenterien. Noch heut­zutage, bei unserer in jeder Hinsicht vereinfachten und reducirten Husaren-Verschnürung, bedarf es mindestens an 15 bis 16 Meter durchschnittlich für einen Officiers- Attila und beiläufig 5 Meter für die Hose. Man übertrage dies nun auf jene Zeit, wo der Verschnürungsluxus der Uniformen wenigstens das Doppelte erforderte, wo die aristokratische Jugend sich zu den Officierscorps der Husaren- und übrigen Cavallerie-Regimenter begeistert heran­drängte, und deutsche Cavaliere und böhmische Granden mit den ungarischen Magnaten in verschwenderischer Pracht ihrer goldstrotzenden Uniformen wetteiferten, auf jene Zeit, wo Alles echt und massiv gearbeitet wurde und das »Patentgold« erst den Errungenschaften einer späteren talmisirenden Epoche Vorbehalten war, und man wird ermessen, wie blühend sich das Gewerbe der Militär-Posamenterien in jener Zeit zu entfalten ver­mochte, wo der üppige Geschmack der Barocke freigebig auch ihren luxuriösesten Anregungen entgegenkam. In diesem interessanten Vergleiche zwischen Einst und Jetzt soll übrigens keineswegs eine Wehklage über die ent­schwundene gute alte Zeit mitklingen; denn trotz aller Reductionen im Einzelnen, an denen es namentlich auch in den letzten fünfzig Jahren der Uniformirungsgeschichte des kaiserlichen Heeres nicht gefehlt hat, sind den be­theiligten Industrien durch die modernen Riesen-Armeen der allgemeinen Wehrpflicht noch weit gross­artigere Aufgaben zugefallen, welche den Uniformluxus vergangener Epochen vollständig auf­wiegen und längst haben vergessen lassen.

Jedenfalls dürften die damaligen Leistungen ' der Wiener Posamenterie den besten kunstgewerblichen Her­vorbringungen dieses Industriezweiges beizuzählen sein. Manches Prachtstück hat sich bis auf unsere Tage erhalten und ziert heute noch die Sammlungen des k. und k. Heeres-Museums. Wer dort diese oft blutgetränkten und pulver­geschwärzten Ueberbleibsel betrachtet, diese in gediegenster Technik ausgeführten Echabraquen, Standarten, Gold- und Silberborten, Paukendecken, Bandoulières, Kalpaks, Cartouchenbänder, Tarsolyas, Schlingen, Rosetten und zahlreiche andere Stücke, wird nicht umhin können, der Altwiener Posamenterie und der Firma Thill, als deren einzigen überlebenden Repräsentantin, seine Achtung zu bezeugen.

Im Sinne dieser geschichtlichen Gegenüberstellung hat die Firma Thill sich auch mit zwei sehr interessanten Objecten an der Industrie-Ausstellung, die anlässlich des Jubiläums Sr. Majestät unseres Aller- gnädigstenK ai sers in Wien stattfand, betheiligt. Dieselben gelangten in zwei M onum en talkästen im »Seide nhofe« zur Aufstellung und führten die bezeichnenden Aufschriften: 1848 und 1898. Sie veranschaulichten in höchst in- structiver Weise die Posamenterien für Uniformzwecke aus dem Tahre 1848, vom Regierungsantritte des Monarchen, und die heutigen.

Als einer besonders interessanten Reminiscenz sei an dieser Stelle auch des im Jahre 1894 zu Wien abge­haltenen »Aristokratischen Wohlthätigkeits-Caroussels« in der k. k. Hof-Reitschule gedacht. Dieses glanz­volle Reiterspiel hatte sich bekanntlich die historisch getreue Wiedergabe festlicher Scenen vom Kaiserhofe Karls VI. in vollendet künstlerischer Fassung zum Programm gewählt, und bot schon der schwere spanische Luxus der da­maligen Hoftrachten, insbesondere aber auch die Pracht der militärischen Uniformen wie der Damentoiletten ein un­übertroffen lebensvolles Bild der für unsere Industrie so bedeutungsvollen Epoche des vorigen Jahrhunderts. Die bei diesem Anlasse getragenen, von Gold strahlenden Costüme der durchlauchtigsten Herren Erzherzoge Franz Ferdi-

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