nunmehr der Pflege des Exports und der militärischen Lieferungen in grossem Maassstabe zuzuwenden, welch letztere ihr seitens der Türkei, Serbiens, Griechenlands etc. zugewiesen wurden.

Der Zug der Zeit führte in den Sechzigerjahren zur Errichtung von Niederlagen in Wien, welches, von Kaufleuten aus allen Theilen der Monarchie und des Orientes besucht, allgemach auch die Metropole des Handels in der Herren-Confection geworden war. Von hier aus schickte man nun Reisende nach den verschiedenen Ländern der Monarchie, sowie nach der Türkei, Griechenland, Serbien und Aegypten. Es gelang allmählich auch, das Interesse dieses Auslandes für europäische Kleider zu erwecken und obige Länder zu Hauptgebieten des Exportes zu machen.

War die Production bis dahin auf das inzwischen zu einem Weltruf gelangte Prossnitz und zum Theile auch auf Pressburg beschränkt, so erfuhr dieselbe nunmehr durch die Heranziehung der Wiener Schneider behufs Anfertigung feiner Waaren, für welche diese vermöge ihrer höheren Ausbildung geeigneter waren als die provinziellen Arbeitskräfte, eine bedeutende Erweiterung. Mit der Arbeitskraft wuchs die Zahl der Unternehmer von Jahr zu Jahr, und diese Entwickelung brachte den Detailhandel von Kleidern zu höchster Entfaltung. Betrug die Erzeugung Anfangs der Sechzigerjahre kaum einige 100.000 Gulden, so schätzt man sie heute auf 15 Millionen, wovon circa sechs Millionen auf die Ausfuhr nach dem Orient und nach überseeischen Ländern entfallen. Der Erstere ist nachgerade eine Domäne der österreichischen Confection geworden, in deren Besitz sie sich mit Hilfe von zahlreichen Filialen in Constantinopel, Smyrna, Beyrut, Alexandrien, Cairo, in Bulgarien und Macédonien gesetzt und, gestützt auf eine genaue Kenntnis des Geschmackes der Bewohner, bisher auch unangefochten behauptet hat. Die Confection umfasst heute eine grosse Scala von Artikeln, von den billigsten Baumwoll- bis zu den besten Schafwollwaaren, welche zum grössten Theile österreichischen Ursprunges sind, und die auf den verschiedensten Ausstellungen des In- und Auslandes die höchsten Preise davongetragen haben.

Die in der Confection beschäftigten Schneidermeister und Hilfskräfte darf man, da eine genaue Zählung nicht vorliegt, auf 10.000 bis 15.000 veranschlagen. Diese zerfallen in Meister, Gesellen und Lehrlinge, welche in zahlreichen kleineren und grösseren Werkstätten der Heimarbeit in der Weise obliegen, dass sie die von den Confectionären an die Meister hinausgegebenen zugeschnittenen und mit allem Zugehör versehenen Kleider im Stücklöhne verfertigen.

Der österreichischen Confection, welche heute eine auch in den westlichen Culturstaaten geachtete Stellung einnimmt, gebührt das Verdienst, in Mitteleuropa bahnbrechend gewesen zu sein, die russische Confection initiirt und der heimischen Textil-Industrie bedeutende Anregung gegeben zu haben.

Fast parallel mit Oesterreich hatte sich in Ungarn die Confection in den Vierzigerjahren in Pressburg und Pest etablirt, ohne dass es ihr, trotz commerzieller Tüchtigkeit der Unternehmer, gelungen wäre, sich im Kampfe mit der an natürlichen Bedingungen, sowie im Bezug der Materialien überlegenen österreichischen Confection zu behaupten. Sie verschwand als schwächere in den Sechzigerjahren von der Bildfläche; die Erzeuger übersiedelten nach Wien, von wo aus sie sich theils dem inländischen Absätze, theils dem Export nach den Donaufürstenthümern und dem Orient widmeten.

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