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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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im skandinavischen Norden wie im südlichen Italien Eingang gefunden. Deutschland, England, Holland, Frankreich, Russland, die Staaten der Balkanhalbinsel, sowie Spanien und Portugal zählen zu den europäischen Absatzgebieten der Firma. Aber auch nach Afrika importirt die Löwenmarke, sowohl in das nördliche Aegypten wie in die südliche Capstadt. Ebenso hat Brasilien mit den anderen südamerikanischen Staaten seine Zollschranken der Löwenmarke zu

einem bedeutenden Import geöffnet, wie sie auch in die nordamerikanische Union trotz der hohen Schutzzölle dauernden Eingang gefunden hat.

Die Firma erhielt Auszeichnungen auf folgenden Ausstellungen: Wien 1873, Melbourne 1880, Adelaide 1887, Sidney 1888, Prag 1891 und Chicago 1893.

Bei einer Wanderung durch die Fabrikslocalitäten gelangen wir zunächst in das Rohwaarenmagazin, in dem die zu verarbeitenden Stoffe aus Leinen und Baum­wolle aller Art, im Ausmaasse von zwei Millionen Meter aufgestapelt sind. Die Fabrieation selbst beginnt mit dem Zuschneiden des Wäschestückes. Zu dieser Thätigkeit ist vor Allem physische Kraft nöthig, sie wird daher von Männern ausgeübt, theils mit der Hand, theils mit Hilfe von Maschinen nach dazu für jede Form und jede Grösse eigens hergestellten Schablonen. Das geschnittene Stück wird sodann mittelst Handdruckerei mit waschechter Bezeichnung versehen und gelangt so in die Nähsäle. Von jüngeren Mädchen wird es zur Behandlung mit der Näh­maschine vorgearbeitet und sodann von den Näherinnen innen und aussen mit den zur Haltbarkeit des Stückes nöthigen Nähten versehen. Die zu Hunderten in grossen, hellen Sälen aufgestellten Nähmaschinen werden durch Transmissions­antrieb bewegt. Die Maschine läuft durch Dampfkraft und erspart so der Näherin das Treten des Schwungrad­brettes, eine Thätigkeit, die früher besonders schädlich auf den weiblichen Organismus wirkte. Ist das Wäschestück genäht, so gelangt es, wie nach jeder Stufe seiner Weiterentwickelung, in die Hände der controlirenden Directricen. Von hier geht es zur Einstecherei, das ist die Abtheilung, von der das Wäschestück für die maschinelle Knopfloch­näherei vorgearbeitet wird. Sodann wird es mit Knopflöchern, die theils Hand-, theils Maschinenarbeit sind, ver­sehen und damit waschfertig. Waschen und Stärken geschieht mittelst centrifugal wirkender Maschinen, in denen das Wäschestück durch Reibung entweder mit Wasser gereinigt oder mit Stärke appretirt wird. Die hiebei sich entwickelnden Heisswasserdämpfe werden durch Ventilatoren abgezogen, um für den Arbeiter den Aufenthalt gesund und angenehm zu machen und ihm den freien Ausblick auf Arbeit und Maschinen nicht zu trüben. Derartige Ventilatoren sind in allen grösseren Sälen der Fabrik angelegt; besonders vortheilhaft wirken sie auf die Gesundheit der Arbeiterinnen in dem Plättsaale. Das mit Stärke appretirte Wäschestück wird durch Eisen, die theils mit der Hand, theils maschinell geführt werden, geplättet. Die Erhitzung der Eisen geschieht seit circa fünf Jahren aus sanitären Gründen durch Luftgasflammen. Mit dem Plätten ist die Fabrieation als solche beendet.

Es erübrigt noch, einen Blick auf die Anlagen der zum Betriebe des Ganzen dienenden Maschinen zu werfen. Zwei Dampfmaschinen (System Hartung-Radavanovits) mit zusammen 300 indicirten Pferdekräften halten die nach allen Theilen der Fabrik sich fortsetzenden Transmissionen in Bewegung. Zur Beleuchtung der Arbeitssäle dienen beide Arten des elektrischen Lichtes, das durch drei Dynamomaschinen erzeugt wird. Zu den verschiedenen Manipulationen werden 360 Hilfsmaschinen verwendet, bei denen in der Prager Fabrik 1050 Personen beschäftigt sind. Ausserdem bestehen nach dem Systeme der Prager Fabrik Filialfabriken in Klattau und Neuern in kleinerem Umfange, in denen zusammen weitere 520 Personen thätig sind, während die Zahl der ausserhalb der Fabriken beschäftigten Personen etwa 300 beträgt.

Der grossen Zahl ihrer Arbeiter auch ausserhalb ihrer Thätigkeit Beneficien zu gewähren und zu erwirken, war zu jeder Zeit das lebhafteste Bestreben der Fabriksinhaber und fand in verschiedenen Wohlfahrtseinrichtungen Ausdruck. Die eigene Betriebskrankencasse war schon vor der obligatorischen Einführung errichtet. Für Kranke, an welche die Krankencasse laut Statut nach einer Krankheitsdauer von 20 Wochen keine Unter­stützungen mehr leistet, tritt ein hiezu von der Firma be­gründeter Fond ein, der weitere 20 Wochen hindurch Arznei und Krankengeld gewährt. Ferner besteht eine Altersversicherung der Arbeiter in der Weise, dass der Arbeiter 2% seines Verdienstes als Spareinlage zurücklegt und derselbe Betrag ihm von der Firma zugelegt wird.

Den auf diese Weise Versicherten ist seitens der Firma der Vorzug der Mitgliedschaft bei der Böhmischen Spar- cassa erwirkt worden.

So hat die Firma Joss & Löwenstein unausge­setzt daran gearbeitet, die Kunde von österreichischer Industrie und böhmischem Fleisse durch ihre Erzeugnisse in alle Lande zu tragen, während sie im Innern bestrebt war, nicht blos Arbeitgeberin, sondern auch Arbeiterfreundin zu sein. Sie gedenkt es zu bleiben, unbeirrt durch den Geist des Umsturzes, der hie und da auch an ihren Thoren zu rütteln beginnt.

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