Sie kauften die Geflechte, wie die Fabrikanten aus der Schweiz, Italien oder England, und vernähten sie gleich diesen mit der Hand.

Erst als die grösseren Geschäfte nach und nach sich von den fremden Vorlagen, nach denen sie seither gearbeitet und sich geschult hatten, emancipirten, als sich allmählich ein eigener Wiener Geschmack regte und man hier und da kleidsame Hüte sah, die nicht einfach französischen oder englischen nach­geahmt waren, wurden weitere Kreise auf diesen Zweig der Wiener Production aufmerksam. Aus der Provinz wurde er verlangt, selbst aus dem Auslande. Anfangs der Fünfzigerjahre zeigten sich Anfänge des Exportes. Neue Firmen entstanden, welche diesen Zug benützten und stärkten. So 1851 Franz Harack, der seine Waaren bald nach Serbien, Rumänien, Bulgarien, nach der Türkei, Griechenland und Aegypten versandte. Die Tiroler traten auf den Plan und gründeten mehrere Geschäfte, Mellitzer & Ivleinlercher, Oberwalder & Ladstätter, Stemberger und andere, die rührig geführt wurden. So zählte man 1857 in Wien schon über 100 Betriebe. Dieser Aufschwung der hauptstädtischen Erzeugung wirkte auch auf die Provinz anfeuernd. Die beiden Strohhutprovinzen, Böhmen und Ivrain, traten stärker mit in die Bewegung ein.

In Böhmen hatte die Strohflechterei seit Errichtung der Fachschulen in Zinnwald (1847) und Hochstadt (1853) bedeutende Fortschritte gemacht. Statt der anfänglichen simplen Geflechte wurden jetzt gute und feine italienische und Schweizer Muster nachgeahmt. So wurde auch von dieser Seite anspornend auf die Verarbeitung dieser verbesserten Rohproducte an Ort und Stelle gewirkt. In der That entstehen hier bald neue Fabriken, denen andere (in Innsbruck Friedmann & Tapezierer, Stemberger) folgen.

Die lebhafteste Entwickelung nahm das Ivrainer Productionsgebiet. Auch dort von der Flechterei, dann dem Handel mit diesen Geflechten ausgehend, begann nunmehr die Erzeugung. Es treten eine ganze Reihe von Ortschaften des Bezirkes Stein bei Laibach der Industrie näher. Die Ortschaften Stob, Mannsburg, Tersain, Studa, Jauchen, Domzale führen, andere folgen. Anfangs der Fünfzigerjahre wirkt Jellonz in Jauchen, Ende der Fünfzigerjahre Paul Mellitzer sehr verdienstvoll, neben ihm Supancic, Dolenc, Riedl, Feldner, Ivurzthaler, Ivleinlercher, Oberwalder, Ladstätter. So nimmt die Zahl der Krainer Betriebe fortwährend zu, bis das Jahr 1866 eine neue bedeutende WVndung bringt.

Venetien und die Lombardei, die Productionsländer der Hauptartikel, der echten Florentiner und der Venezianerhüte, waren nun Ausland und jenseits der Zollgrenze. Der neue Zoll war unerschwinglich, wollte man der deutschen und anderen Concurrenz Stand halten. Das veranlasste die damalige Firma Oberwalder & Ladstätter, welche bis nun vornehmlich den Handel mit Strohhüten trieb, eine Fabrik im Inlande zu errichten. Sie wählte hiezu den Ort Domzale in Ivrain, damit den Grundstein legend zu einem damals ungeahnten Aufschwung dieser Gegend, die bald zum Emporium der österreichischen Strohhut-Industrie wurde und diesen Rang bis heute behauptet. Schneller als in der Hauptstadt wurde hier jeder Fortschritt der Technik für die Industrie seither verwendet und ausgenützt. Betrieb um Betrieb erstand. Bald 1867 kam durch Chrysant Ladstätter, dem Wegweiser in allen wichtigen ins Ivrainer Centrum eingeführten Neuerungen, aus Italien die erste Hutpresse »Hebelpresse« ins Land, wodurch die Arbeit des Formens wesentlich beschleunigt, werden konnte.

Damit war der erste Schritt gethan, der die Umwandlung zum eigentlichen Fabriksbetriebe ein­leitete. Bislang war das Formen eine sehr schwierige Sache. Die Hüte wurden auf Holzstöcke gezogen, dann die kreuzgenähten »geschliffen«, die anderen genähten gebügelt; bei harten Geflechten eine ebenso zeitraubende als anstrengende und beschwerliche Arbeit. Jetzt wurde der vorgespannte Hut für die Hebel­presse auf eine Metallform gelegt und eine zweite correspondirende Metallform mit Hebeldruck darauf gepresst. Damit der Hut gleich wurde, bedingte das aber zwei ganz genau sich deckende Formen, deren Herstellung sehr schwierig war. Dies zu vereinfachen gelang einer deutschen Erfindung, der hydraulischen Presse, die in zwei Typen, der Hauben- und der Säulenpresse, in den Handel kam. Nun bedurfte es nur einer Metallform, eines Negativs (Hohldruck oder Tiefdruck gegenüber den früheren Hochdruckformen), in welche der Hut hineingelegt und dadurch formirt wurde, dass in einer mittelst Manometer controlirbaren Spannung durch hydraulischen Druck ein sich der Form eng anschmiegender Gummibeutel an diese gepresst wird. Im Fabriksbetriebe ist dies heute das allein übliche Verfahren. Nur allerfeinste und kostbare grobe Geflechte, die so aufgeworfen sind, dass jeder Druck sie schädigt, werden noch in der alten Weise mit dem sanfteren und leichter lenkbaren Bügel­eisen behandelt.

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