1. In sturmbewegter Zeit
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Gmunden, „besteht jetzt eine wahre Probe; denn Du hast keine Idee, wie er hier gefeiert und adoriert wird, und doch bleibt er sich stets gleich und zeigt dadurch den wahren Seelenadel.“
Schon wenige Wochen später, am 22. August, ergab sich Venedig; unter dem Kanonendonner der Bollwerke, in dem Gewirre und Getöse der Belagerung, die durch das Auftreten der Cholera erschwert wurde, hatte Ne- grelli die Schienenwege vollendet, die bis an die Stadt heranführten. Nun hieß es, hier selbst wieder rasch herzustellen, was während der Belagerung zerstört worden war. Ungemein schwer hatte die herrliche, großartige Lagunenbrücke gelitten, von der 45 Bögen, die gesprengt oder beschädigt waren, abgebrochen werden mußten; Negrelli befürchtete, sie nicht vor zwei Jahren betriebsfähig machen zu können. Am 30. August hielt Radetzky seinen feierlichen Einzug in Venedig. „Es ist göttlich“, schreibt Negrelli seiner Lotti, „unsere Fahnen auf allen Forts und am Bahnhofe zu sehen — große Freude herrscht überall — hoch lebe der Kaiser!“ Ma- nin, der Herrscher der belagerten Stadt, und seine Staatsmänner hatten alle Kassen geleert; in der Eisenbahnkasse fand Negrelli von 8 Millionen Lire in Zwanzigern nur noch 19.700 Lire und einige Centimes in Venetianer Papier. Er hatte alle Hände voll zu tun, in das Getriebe der baulichen Tätigkeit soweit Ordnung zu bringen, daß es nicht vollkommen stockte.
Der Fall Venedigs beschleunigte die Durchführung der von längerer Hand vorbereiteten Neugestaltung des Baudienstes in der Lombardei und in Venedig. Einige Tage vor dem Friedensschlüsse, der am 1. Oktober erfolgte, verständigte das Ministerium Negrelli, daß Seine Majestät mit Allerhöchster Entschließung vom 22. September zur Leitung des Baues und Betriebes der Eisen-