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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Erster Band
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Die Versäumnisse nun, die dieses traurige Resultat verschuldet haben, lassen sich unter folgenden Hauptpunkten gruppiren:

1. Ungenügende Communicationsmittel. Erst im Jahre 1873 berührte das Eisenbahnnetz nach Ausbau der Dniestrbahn das Petroleumgebiet, wodurch Drohobycz in Verbindung mit dem galizi- schen Eisenbahnnetze gelangte. Noch durch zehn Jahre hindurch musste das Petroleum per Achse aus den Karpathen zur nächsten Station der galizischen Carl Ludwig-Bahn geführt werden, und erst in das Jahr i883 fällt die Eröffnung der Transversalbahn, der eigentlichen Petroleumbahn Galiziens. Dieser Vortheil wurde aber bald aufgewogen, weil zur selben Zeit Galiziens gefährlichster Concurrent, der Cau- casus, seine Verbindung mit dem Schwarzen Meere erhielt und bald darnach das tückische caucasische Falsificat oder Kunstöl nach Oesterreich gelangte.

2. Prohibitive Frachtsätze auf österreichischen Bahnen. Noch anfangs der Achtzigerjahre betrug z. B. der Frachtsatz für Petroleum von Kolomea nach Wien 3 fl. 89 kr. per 100 kg, so dass, wenn für die Fastage noch 2 $°/ 0 hin und ebensoviel zurück hinzugefügt werden, sich die Transportspesen nach Wien auf nahezu 6 fl. stellten, während der damalige Grubenwerth etwa 5 fl. per 100 kg betrug. Aus Kolomea nach Westgalizien betrug der Frachtsatz 2 fl. 50 kr. per 100 kg, also mit Zurechnung der Fastage nahezu 4 fl. per 100 kg, wodurch bei einem bestimmten Geschäfte, welches damals in Erwartung von nicht erlangten Frachten-Refactien abgeschlossen wurde, nahezu der gesammte Oelwerth durch die Fracht aufgezehrt wurde. Die rapide Entwicklung der galizischen Petroleum-Industrie begann erst, nachdem ihr der '/ I0 kr.-Tarif per Kilometer und Metercentner zugestanden wurde.

3. Ungeregelte Besitzverhältnisse. Es wurde oftmals behauptet, die Thatsache, dass das Petroleum dem Bergregale nicht unterstehe, sei der Entwicklung der galizischen Petroleum-Industrie hinderlich gewesen. Amerika übrigens kennt auch kein Bergregale, und gegenwärtig ist auch in Galizien die Industrie zu einer bedeutenden Entwicklung gelangt, trotzdem das Petroleum bis jetzt kein Bergregale ist. Aber was jedenfalls die natürliche Entwicklung gehemmt hat, war die späte Einführung der Grund­bücher für den bäuerlichen Grundbesitz in Galizien, die in den Karpathengegenden erst vor ein paar Jahren abgeschlossen wurde. Erst seit dieser Zeit besteht die für grosse Unternehmungen unbedingt erforderliche Rechtssicherheit.

4. Verspätete geologische Untersuchung der Karpathen. Bis zum Jahre i83o, so lange noch eine constitutionelle Regierung in Warschau, im Congress-Polen, bestand, that die dortige Regierung viel mehr für die Erforschung der Karpathen als die österreichische Regierung in Wien. Vereinzelte Studien ausgenommen, ist eine wirkliche Karpathengeologie erst in den Jahren 18751878 durch die Forschungen der Wiener Geologen Paul und Tietze begründet worden,

5. Eine verkehrte Zollpolitik. Im Jahre 1872 wurde raffinirtes Petroleum mit einem Zoll von 75 kr. und im Jahre 1875 mit 1 fl. 50 kr. per M.-Ctr. belegt, während Rohöl frei war. Im Jahre 1879 wurde der Raffinadezoll auf 3 fl. erhöht, während Rohöl je nach Qualität mit 60 kr. bis 1 fl. 25 kr. verzollt wurde. Im Jahre 1882 wurde der Zoll auf raffinirtes Petroleum auf 10 fl. in Gold erhöht, rumänisches Rohöl mit 68 kr., russisches mit 1 fl. 10 kr. und amerikanisches mit 2 fl. Gold belastet, während gleich­zeitig auf das einheimische Petroleum eine Consumsteuer von 6 fl. 50 kr. ö. W. gelegt wurde. Diese Zollsätze wären nicht ungünstig gewesen, wenn thatsächlich echtes Rohöl aus dem Auslande importirt worden wäre. Dies war aber nicht der Fall. Dem amerikanischen Rohöl wurde nachgeholfen, indem die flüchtigen, in Oesterreich schwer verwendbaren Bestandtheile vor dem Import mit Dampf abgeblasen wurden. Das russische Rohöl, dessen inferiore Qualität es überhaupt vom Importe ausschloss, kam als solches gar nicht nach Oesterreich. Es wurde dafür das sogenannte Falsificat oder russische Kunstöl dargestellt, d. i. ein Petroleumdestillat, durch 515% Theer gefärbt, um es in Oesterreich als Naturöl einschwärzen zu können. Nachdem diese betrügerische Praxis durch die Bemühungen der galizischen Producenten entdeckt worden ist, wurde im Jahre 1887 ein höchst ungenügender Ersatz darin gefunden, dass unter Erhöhung des Zollsatzes auf 2 fl. für russisches und 2 fl. 40 kr. für amerikanisches Rohöl die Zollbehörde auf die Unterscheidung von Natur- und Kunstöl verzichtete und sozusagen die fraudu- lose Praxis legalisirte und das Falsificat anstandslos die Grenze zu dem leider so ungenügend erhöhten Zollsätze passiren Hess.

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