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und zu bequem, um zu arbeiten. Sie verbindet also die Faulheit mit der Tugend, und wird Sodaliske. Sie ist einfach gekleidet, aber herausfordernd koiffiert. Sie hat einen Roman aus der Leih bibliothek in der Hand, und sehläft immer, wenn man zur Sodahütte kommt. Sie ist blass und nicht hübsch, aber beim Erwachen gähnt sie mit interessanter Xiiancirung, wobei ihr eine Demuthsfalte zwi­schen den Augenbraunen hängen bleibt, wodurch sie das Air erhält, als ob ihr stets Unrecht geschehe. Sie hat auch Anbeter: lange Real­schüler mit gelben Hälsen, und den Stiefelputzer neben ihrer Hütte.

Der Wiener Fiaker wird bald auch keinen ausgesprochenen Typus mehr haben. Er ist noch immer dick, hat noch immer grelle Cravatten und getigerte Hüte, und der Standplatz seines Zeugei ist noch immer vor einem Wirthshause, in welchem er zwei Drittel seines Lebens zubringt. Seine weltberühmte Grobheit ist aber beileibe nicht angeborne Rohheit. Der Fiaker selber ist oft ein ganz lieber, stiller Mensch; aber der Standplatz seines Wagens gibt ihm den falschen Schein des Rohseins, wo er doch nur be­trunken ist. Denn was soll der Fiaker in den Wartestunden anders thun, als trinken? Und die Trunkenheit macht barsch. Daher stammt die bekannte Derbheit des Wiener Fiakers.

Die Tralikantin ist in Wien ebenfalls ein einziger Typus, d. h. eine Eigentümlichkeit, die man ausser Oesterreich nicht findet in dieser strikten Couleur. Die Trafikant in ist entweder die Frau oder das Fräulein selber, welcher von der Regierung der Verschleiss übergeben wurde, oder es ist eine aufgenommene Mamsell. Im ersten Falle ist es eine Offiziers- oder Beamtens-Witwe mit grauen, fettgeschwärzten Haaren, welche die komische Manier hat, die Airs ihres einstigen Salons in die Tabackbudike zu verpflanzen. Das alte Fräulein, die Offizierswaise dagegen ist ein liebes, wohl- thuendes Ding in einer Trafik für die echten Raucher. Sie ist freundlich, distinguirt, erinnert uns an unsere 'Fante, und macht das ganze Gewölbe heimatlich.

Die Trafikantin aber, welche von der Besitzerin gemiethet ist, hat ein ganz eigenthümlielies Gesicht. Sie ist entweder eine Nymphe

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