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oder ein Aschenbrödel. Meistens das Erstere. Sie sucht uns mit allen Mitteln ein Complimcnt abzukitzeln passez moi le mot und ist das geschehen, dann umgrinst sie uns bei jeder Virginier mit grässlichster Beharrlichkeit. Diese Trafikantin ist dann mehr ein zähnefletschender Mandril als ein Wesen. Sie bedient nicht, sie tanzt. Sie antwortet nicht, sie umspinnt. Aber viele Leute lieben die Zigarren mit Spinnemveben. Sie ist auch äusserst belesen, denn den ganzen Vorrath der 5 Kreuzer-Literatur hat sie durch­gearbeitet und besonders interessirt sic die Rendezvous- und Heirats­rubrik der verschiedenen Tagesblätter.

Als ein Wiener Typus pflegt man auch die Wiener Volks­sänger anzugeben. Ich finde nicht, dass der actuelle Status quo dazu prätentirt. Der Wiener hatte einst seine echten Volkssänger in Moser, Nagel und Amon, Fürst, Matras. Das waren echte Wiener (leseilen, welche den echten Wiener Humor dem Wiener vorjauchzten.

Der Handwerker, der Bürger und der Fremde eilten zu diesen Productionen, die sic im Herzen mitsangen von A bis Z. Dann riss aber in Wien die Chansonettenmode ein. Man brachte Weiber anstatt der Männer und vergröberte französische Nöels zu Wiener Zoten. Von diesem Augenblicke an war der echte Wiener Volkssänger (welcher unter Leopold dem Ersten mit dem Volkssänger Augustin begann), geliefert. Nagel wurde närrisch, Fürst wurde stolz und Director, Matras wurde zahm underster Komiker. Die Weiber ä la Therese hatten das Feld frei.

Die Erste, welche das heutige Volkssängerthum auf dem (Jewissen hat und trotz alledem die (lesuchteste bleibt, ist die Mansfeld. Sie ist eine schindelnde Uebersetzung der nasaltonirenden Theresa. Sie ist nicht mehr jung, sie hat keine Stimme, aber sie wardie Erste. Die Komischer war eine Schönheit, und dürfte heute nur noch als Ruine interessant sein. Ihre Vorträge sind zwar sehr decoltirt, aber sie überschreitet nie die Grenze des herz­lichen Gelächters, und sicht immer aus wie die Witwe eines Rittmeisters.