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in der llerrengasse. Die Paläste sind ureigen. Im strengsten Per- riickenstyle gebaut, höclistens noch in die Napoleon-Periode fallend. Sie haben noch ganz das unbeschreibliche Exclusive des besten alten Tones, diese Familienhäuser, und das Leben darin gleicht ganz der Aussenseite des Gebäudes.

Die Fenster des ersten Stockwerks sind meist dicht ver­schlossen mit Jalousien sic führen in die Gesellschaftssäle und in die Empfangszimmer. Das zweite Stockwerk zeigt die zierlichen Vorhänge der Wohnzimmer der Herrschaft. 0 dieses reizende, echte Leben nach den besten Regeln! Man findet da weder die grellen Tapeten der Parvenüpaläste noch die fütilen Möbel derselben. Das Ameublement ist von der höfischen Spliditüt derguten Zeit, und so wie das Ameublement sind auch die Domestiken: glatt, ältlich, die jüngerenLehrlinge bildend und formend, still und ver­lässlich. Man findet in diesen Zimmern alte, kostbare Rüder aus der letzten Generation des Herrscherhauses, die Gattinen Franz des Ersten oder die lieblichen Kinder des Erzherzogs Franz Carl, mit Spielzeug in den Händen, rosig und lächelnd.

Der Herr des Hauses hat die Manieren der Metternich-Schule be­wahrt, höflich, ein Bischen zugeknöpft und chcvaleresk bis ins Herz hinein.

Die Dame des Hauses folgt nicht blind der Mode des Tages in ihrer Toilette. Sie trägt die Frisur nach ihrem eigenen Ge- schmackc und übersetzt das letzte Modejournal in die kleidsame Zurückhaltung der lloftoilette. Sie liebt dunkle Schleier, welche das Gesicht künstlerisch umrahmen, und wenn sic schon alt ist, das weisse Häubchen der distinguirten Matrone. Dabei ist sie leb­haft, ein Bischen medisant, sehr interessirt für alle kleinen und grossen Begebenheiten am politischen Himmel und in Gesellschaft sprühend vor Uebermuth und feinen spirituellen AVorten. Niemand versteht das décollement des Soireenkleides so cokett und graeiös zu tragen, wie die Wiener Gräfin; und je weiter sie in den Jahren vorrückt, desto schöner lässt es ihr.

Es ist dies eine allgemein anerkannte Thatsache. Niemandem auch steht die höfische Reiher- und Straussfeder so wohl an im