131

dunklen Haare, und Niemand Hat den chic der französischen Plauderei aus der Zeit vor M. M. Mirabeau und LafFayette so gut in die Gegenwart herübergerettet wie die Wiener Hofdame. Sie ist unwiderstehlich, noch lange nachdem sie aufgehört Hat, hübsch zu sein.

Die junge Wiener Comtesse, die Tochter der Gegenwart, schlägt schon manchmal den Ton der Tuilerien des Ex empire an, und folgt der Mode. So lange sie indess in dem feudalen Hause der Eltern lebt, ist derselbe noch immer gedämpft durch die gute Tradition, deren Verkörperung Mama ist. Erst wenn die Comtesse sich vermalt und an der Seite ihres Gemahls ein neues modernes Ringstrassen-Palais bezieht, nimmt sie neufranzösische Allüren an, die freier, freilich wohl auch frischer geworden sind, seit der grosse Napoleon eine Madame Tunot zur Herzogin von Abrantcs machte. Ach, alles versickert und reformirt sich! Thatsache ist jedoch, dass die Wiener Gräfin am längsten jene wohlthuend distinguirte Weise behalten hat, welche einst das Hofleben mit so unbeschreiblichem Zauber umgab und den echten Adel bei all seiner Liebenswürdig­keit unnahbar machte für alle Modeneuerungen von schlechtem Geschmack.

Diese alten Paläste haben noch ihre festgeschlossenen Thore, die sich nur auf den Klang der grossen Flurglocke öffnen, und ihre schlummerstillen Höfe, in denen die Bedienten unter dem Schatten alter Akazienbäume die Carossen waschen, und endlich ihre kleinen, hochummauerten Gärten, wo in der warmen, schwerduftenden Atmosphäre der Gewächshäuser die Natur mitten im Winter an Maiblumen arbeitet für die Soiree des jour fixe.

In einem Appartement des stillen Palastes wohnt stets eine Tante, Stiftsdame oder Sternkreuzordens-Dame. Eine bewegliche, alte Dame ist es, in herbstblattfarbene Seide gekleidet, mit schönen, grauen Locken, und mit einer unnachahmlichen Manier, kleine Bos­heiten zu sagen. Sie ist sehr ruhelos und lebt abwechselnd im Stadtpalais, wo sie gegen die Schwester oder Schwägerin Krieg führt, oder in ihrem Stifte, wo sie ihre nächste Thür-Nachbarin

9 *