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gefunden hat. Er liebt den Prunk und verschwendet viel Geld auf die Décoration seiner Häuser, gerade so wie er eine Vorliebe für dicke, goldene Ketten hat. Aber nicht minder liebt er es, seinen Armen reichliche Spenden zu geben und zu allem, was gut oder was schon ist, seine fürstliche Gabe zu gesellen. Seine Gemahlin wirft ihm vor, dass er sich immer mit Geld beschäftigt, aber hunderte von Arbeitern und Beschenkten danken ihm das.
Die Damen des Geldpalastes gehören meistens jener feingebildeten Frauen - Hautevolée an, welche in den Klöstern du sacré coeur oder in den Pensionaten der Schweiz den Weltton zugleich mit den Wissenschaften gelernt haben. Sie sind gründlich gebildet und dabei harmlos liebenswürdig, als hätten sie keine Idee von der Geographie. Niemand weiss so gut die sorgsame Hausfrau und die Weltdame zu vereinen, wie die Geldaristokratin der Ringstrasse.
Nach dem Geburts-, Degen- und Geldadel folgt in Wien noch eine Adelsklasse, welche eben nur da zu finden, und so zahlreich ist, wie der Sand am Meere: Das sind die „Herr von’s“ und die „Frau von’s.“
Bekanntlich war es in Wien von jeher Sitte, den besseren Bürgerstand aus eigener Machtvollkommenheit zu adeln. Jeder Mann mit grösserem Einkommen und jede Frau mit einer Seidensehleppe erhielten taxfrei das Prädikat von. Diese Unsitte war ebenso lächerlich von Seite des Gebers wie des Nehmers. Beim Ersteren zeugte es von kriechender Speichelleckerei, beim Zweiten von grotesker Eitelkeit.
Oesterreich machte sich dadurch in den Augen eines jeden Ausländers lächerlich.
Immerhin blieb aber die Sache selbst bis in die vierziger, fünfziger Jahre noch in gewissen Schranken, und das Herr von Stutzelberger und von Guschelbauer wurde doch nur den reicheren, gebildeten Bürgern zuertheilt. In den letzten Jahrzehnten ist aber aus dieser Schwäche eine förmliche Krankheit, aus dieser Unsitte ein Wahnsinn geworden.