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1S<>7, beginnt die rasche Entwicklung Wiens zur Welt­stadt.

Haben wir so in grossen allgemeinen Zügen die äussere (beschichte Wiens durchflogen, so betrachten wir nun unser heutiges Wien.

Die Zeit, woBäuerle's Theaterzeitung der einzige Reprä­sentant des öffentlichen Geistes war, und ein Couplet eines Yorstadt- koinikers ein Tagesereigniss bildete, ist verschwunden, und wir freuen uns dessen, dass sie auf Nimmerwiederkehr vorüber. Freilich, den Spuren jener Zeit begegnen wir in Wien noch immer.

Fs ist ein lustiges, leichtlebiges Volk, welches die Masse der Bevölkerung Wiens bildet, man könnte den Wienern fast mit grösserem Rechte als den Rheinländern den Beinamen der deutschen Franzosen geben. Freuet Euch des Lebens! oder in's Wienerische übersetzt:Alleweil Adel, fidel! ist das grosse Evangelium, zu dem die Mehrzahl der Bevölkerung sich bekennt. Und warum sollte sie es nicht? Liegt doch Wien an den pracht­vollen Ufern des schönen blauen Donaustromes, wie ein blitzender Juwel in einem schönen Schatzkästlein. Anmuthige Berge mit schattigem Walde ziehen sich bis in die nächste Nähe der Stadt, die prachtvollen kaiserlichen Lustschlösser mit ihren grossartigen Gärten, reizende Villen und Landhäuser, freundliche Vororte und Dörfer bilden die nächste Umgebung, und die romantisch schönen Voralpen sind in wenigen Stunden zu erreichen, während die Eisenbahn die Wiener in kurzer reizvoller Fahrt zu der Majestät der II ochalpen führt. Vereinigt nun nach dem Gesagten Wien alle Genüsse der Gressstadt mit den Reizen der Natur, so übt auch der Reichthum des Landes, dessen Hauptstadt es ist, seinen Einfluss auf den Character der Bevölkerung. Der Niederösterrcicher und Wiener musste nicht, wie der Brandenburger, in harter, mühseliger Arbeit dem Boden erst die Bedingungen seiner Existenz abringen, eine üppigreiche Natur wirft ihm ihre Gaben verschwenderisch in den Schoss, und ladet ilm> zum Genüsse ein. Dazu kommt die Zusammensetzung Ocstcrreich's aus so vielen Stämmen und Nationen.