Dokument 
Die Arbeiterin im Kampf ums Dasein / von Adelheid Popp
Entstehung
Seite
30
Einzelbild herunterladen

Es gibt heute schon viele Arbeiterinnen, welche nur neun Stunden, manche, die nur mehr acht Stunden im Tage arbeiten. Es gibt auch in Oesterreich schon Arbeiterinnen in den Tabakfabriken und in den Elektrizitätswerken und noch in manchen anderen Be­trieben, die am Samstag nur bis Mittag arbeiten, damit die Ver­heirateten am Nachmittag Zeit haben, ihr Hauswesen in Ordnung zu bringen, damit sie nicht am Sonntag waschen, reiben und putzen müssen.

Die Gewerkschaften kämpfen dafür, das; überall am Samstag Mittag Arbeitsschluß gemacht wird. Wenn diese Forderung auch nicht auf einmal durchzusetzen ist, so ist es doch schrittweise möglich, so leitete die Organisation der Textilarbeiter und -Arbeiterinnen im ^ahre 1!N1 eine Bewegung ein, damit in den Textilsabriken am Samstag der Vier Uhr - Schlus; eingeführt werde. Wenn alle Arbeiterinnen organisiert sein werden, dann werden sie mit den Arbeitern zusammen so mächtig sein, das; sie von den Unternehmern verlangen und auch durchsetzen können, daß die Arbeitszeit und die Löhne so geregelt werden, wie es für die Gesundheit und zur Erreichung einer längeren Lebensdauer notwendig ist. Bei kürzerer täglicher Arbeits­zeit, beim freien Samstagnachmittag werden die Arbeiterinnen, die Mütter sind, auch ihren .Ändern mehr Sorgfalt widmen können.

Die sozialdemokratischen Gewerkschaften kämpfen auch für den Wöchnerinnen-, den Mutter- und Kinderschutz. Die Mutter werdende Arbeiterin soll nicht bis zur letzten Minute in der Fabrik sein müssen, die Frau, die kaum das Wochenbett verlassen hat, soll nicht schon wieder in die Arbeit hetzen müssen; Gewerbeinspektorinnen sollen auch aus den .Kreisen der Arbeiterinnen vorhanden sein, um die Ein­haltung der Schutzbestimmungen zu überwachen.

Die organisierten Arbeiterinnen werden von den Vorgesetzten auch ganz anders behandelt werden als die Unorganisierten. Wenn alle Arbeiterinnen eines Betriebes organisiert sind, dann wagen es die Vorgesetzten nicht, die Arbeiterinnen wie ihre Sklavinnen und Leibeigenen zu behandeln. Dann wird die junge und hübsche Ar­beiterin auch nicht mehr fürchten müssen, schikaniert oder entlassen zu werden, wenn sie die zweideutigen Liebenswürdigkeiten der Herren Vorgesetzten nicht dulden will. Dennalle für eine und eine für alle' wird es dann heißen.

Wenn alle oder doch ein großer Teil der Arbeiterinnen eines Betriebes bei der Organisation sein werden, dann werden sie sich nicht mehr fürchten, ein freies Wort zu sprechen, dann werden Kriecherinnen und Zuträgerinnen nicht mehr gefährlich sein. Die gewerkschaftliche Organisation wird den Arbeiterinnen Kraft und Selbstbewußtsein geben; sie werden aufhören, sich als Menschen minderer Qualität behandeln zu lassen, und sie werden aufhören, ihre Arbeitskraft für einen Schundlohn zu verkaufen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ohne Unterschied, ob Mann oder Weib sie leistet, ist gewerkschaft­liches Prinzip, das aber erst dann siegen wird, wenn die Arbeiterin­nen selbst Mitglieder der Gewerkschaften sein werden.