I.
Die junge Arbeiterin.
Alle grauen u»d Mädchen, die die Kinder armer Eltern sind, möchte ich fragen, warum ihr ganzes Dasein, ihr ganzes Leben gewöhnlich nichts ist als eine ununterbrochene Kette von Leiden und Entbehrungen, kein Lichtblick erhellt den dornigen Lebensweg der von armen Müttern Geborenen.
Frühzeitig lernen sie den grasten Unterschied kennen, der zwischen dem Leben der Armen und der Reichen besteht. Die Kinder der Reichen wachsen heran, sorgsam behütet und bewacht, gut genährt, schön gekleidet, sie genießen Unterricht aller Art und auch die Pslcge und «Stählung des Körpers ist säst zu einer Wissenschaft geworden. Wie ganz anders bei den Kindern der Armen! Hilflos und verlassen, sind sie sich im frühesten Alter selbst überlassen. Wenig geniesten sie von den vielgepriesenen Freuden der Kinder, denn frühzeitig werden sie aus ihr künftiges Los, Sklaven der Arbeit zu sein. vorbereitet.
Ungenügende Ernährung, der Aufenthalt in engen, oft düsteren oder gar feuchten Wohnungen, der Mangel an Erholung in frischer Luft hemmt die Entwicklung dieser Kinder. Wohl wachsen im Proletariat oft unter den traurigsten Verhältnissen begabte, geistig regsame Kinder heran. Die große Mehrzahl aber erliegt den ungünstigen Verhältnissen. Sie können dem Unterricht in den überfüllten Klassen gar oft nicht folgen und bleiben zurück. Daheim finden sie auch keine Hilfe und oft keine Gelegenheit zum Lernen. Wenn die Mutter selbst verdienen muß oder wenn noch kleinere Kinder vorhanden sind, so ist niemand da, der die geistige Entwicklung der Kinder beeinflussen könnte. Statt zu lernen, müssen selbst sechs- und siebenjährige Kinder schon arbeiten in der Hauswirtschaft, aber auch nn Gewerbe. So zwei- und dreifach gequälte Kinder bleiben nur zu leicht in der Schule zurück. Die physische Müdigkeit und der Hunger führen auch die Ermüdung des Geistes herbei. Was ist aber die Folge solch trauriger Kinderjahre? Die Lohnarbeiterinnen, dir Sklavinnen der Fabriken, der Heimarbeit, und die Dienstmädchen müssen büßen, was die Erziehung an ihnen verbrochen. Sie müssen büßen, daß eine Gesellschaftsordnung besteht, nach der einige wenige alle Genüsse des Lebens, die herrlichsten Schätze im reichen Ueber- slusse besitzen und Millionen an Kapital anhäufen können, während die Erzeugerinnen all dieses Reichtums hungern, darben, entbehren und gar oft dahinsiechen.
Von allen Ausgebeuteten leidet am meisten die Frau, das Mädchen! Kaum ist das vierzehnte Lebensjahr erreicht, müssen sie