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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
Entstehung
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das ist dessen Wechsel für Bethätigung von vier Kästen für Baumwoll- und Seidenstühle, der in Bezug auf verblüffende Einfachheit und Genialität der Construction wohl von keinem anderen übertroffen werden dürfte.

Die modernen Baumwollwebstühle laufen mit 180 bis 200 Touren in einer Minute und werden daher in dieser Zeit 180 bis 200 Schüsse in das Gewebe eingetragen, gewiss eine erstaunliche Leistung. Ein Arbeiter bedient bei uns gewöhnlich zwei Stühle, höchstens könnte er unter besonderen Verhältnissen deren vier beaufsichtigen. Die gegenwärtig in Amerika immer mehr Boden gewinnenden, aber augenblick­lich erst für Herstellung glatter Zeuge verwendbaren Northrop-looms, die mit Kettenwächtern für Stuhl­abstellung bei Kettfadenbruch und mit Spulenmagazinen ausgerüstet sind, aus welchen nach Ablauf des Schussfadens der Schützen mit einer neuen Schussspule während des Ganges des Stuhles versehen wird, so dass ein Arbeiter 8 bis 16 Stühle bedienen kann (in einem Ausnahmsfalle soll ein Weber deren 32 bedient haben), haben in Oesterreich noch nicht Eingang gefunden. Die Wichtigkeit des Gegenstandes verdient es wohl (wie es erfreulicherweise auch bereits geschieht), dass sich unsere Stuhlbauer mit den diesen amerikanischen Stühlen eigenthümlichen Constructionen vertraut machen, um sie, deren Ver­besserungsbedürftigkeit, aber auch Verbesserungsfähigkeit nicht geleugnet werden kann, für unsere Industrie zu verwerthen; denn das Eine steht für den Fachmann sicher: Verschwinden werden diese Stühle und der ihnen zu Grunde liegende Gedanke nicht mehr, denn sociale Bedenken haben noch nie eine, wenn auch noch so revolutionäre Erfindung in ihrem Siegesläufe gehemmt.

Dasselbe Ziel, nämlich den W r ebstuhl bei Schussfadenbruch oder abgelaufener Schussspule nicht anhalten zu müssen, erreicht Claviez in Adorf durch Ersatz des leergewordenen Schützens durch einen neuen während des Ganges und erlaubt seine Construction die Bedienung von gleichzeitig sechs Stühlen durch einen Arbeiter. Dass von diesen Webstühlen nicht ebensoviele wie von den Northrop-looms be­dient werden können, hat wohl seinen Hauptgrund darin, dass dieselben bisher nicht mit Kettenwächtern ausgerüstet sind.

Einen der schönsten Erfolge hat die österreichische Maschinen-Industrie auf dem Gebiete des Web­stuhlbaues in den Buckskinstühlen zu verzeichnen, welche von der Firma Gülcher & Schwabe in Biala gebaut werden. Diese Firma, früher R. J. Gülcher in Biala, baute ursprünglich nur schwere Stühle für Erzeugung breiter Schafwollgewebe nach, dem Schönherr-Systeme analogen, Principien, insoferne als der Anschlag der Lade durch ein Excenter, beziehungsweise eine Nuth, geschah und der Schlag ein durch Federkraft hervorgerufener Unterschlag war. Später ging auch diese Firma für die schneller laufenden Buckskinstühle zum Crompton-Systeme über und verbesserte dieses in ganz ausgezeichneter und selbst­ständiger W r eise. Der moderne Wechselstuhl ist ein Kurbelstuhl mit Antrieb der Lade mittelst abnorm kurzer Schubstangen behufs Erreichung beinahe vollständigen Stillstandes der Lade beim Schützendurch- gange. Der Schlag ist ein ganz origineller, mittelst zwangsläufiger Schlagvorrichtung, bei welcher gleich­falls das Princip der Kurbel mit kurzer Schubstange im Vereine mit dem des Kniehebels zur An­wendung kommt, um einerseits bei der Schlaggebung eine rasche Ausschwingung der Schlagarme zu er­zielen, andererseits während der übrigen Zeit sie zurückzubewegen und ruhig zu erhalten, eine Vorrichtung, die 1894 patentirt wurde. Die von der Firma verwendete Schaftmaschine ist entweder die ihr 1882 patentirte oder die Cromptonsche. Der Wechsel ist nach Patent Schwabe vom Jahre 1884, zwangsläufig für Be­wegung von vier Kästen auf jeder Seite, bei welchen zwei Kurbeln in Verbindung mit einem Kniehebel­mechanismus alle möglichen Kastenstellungen ergeben, oder der 1894 patentirte für mehr als vier Kästen, bei welchem zwei Kreisexcenter und eine Kurbel, mit einem Hebelsysteme combinirt, die Beherrschung auch von fünf, sechs und mehr Kästen auf jeder Seite ermöglichen.

Nachdem in Oesterreich die Kunstweberei seit jeher besondere Pflege fand, kann es nicht in Erstaunen versetzen, dass die 1805 von K. M. Jacquard erfundene und nach ihrem genialen Erfinder benannte Mustermaschine sehr rasch in unserem Vaterlande zur Einführung und Anwendung gelangte. Waren hier doch schon ganz ähnliche Vorrichtungen zur Musterweberei im Gebrauch, wie seit 1790 die Trommel- oder Walzenmaschine, deren wesentlicher Bestandtheil in einer Trommel bestand, auf der dem Muster entsprechend Klötzchen oder Stifte eingesetzt waren, sowie die 1799 in Wien von Waldhör erfundene Stoss- oder Hochsprungmaschine, die bereits anstatt der Klötzchen Löcher in einer Walze ein­gegraben besass, welche zur Bethätigung von Nadeln und Platinen diente! Jacquard besitzt das Ver­dienst, alle diese Mustervorrichtungen erst lebensfähig gemacht zu haben, indem er die seit Vaucanson immer wieder angewendete Trommel beseitigte und das bereits 1728 von Falcon zur Musterweberei ver-

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