und sich zu kurzer Blüthe entwickelt, als sie vom Drucke der billigen Baumwolle und ihrer Concurrenz theilweise entlastet wurde und auch der Leinenconsum gestiegen war. Mit dieser kurzen Zeit verbindet sich auch die segensreichste Periode der österreichischen Leinen-Industrie.

Bald darauf aber begann Nordamerika mit seinem Schutzzollsystem, das zunächst schon in dem ersten »Mac Kinley-Zolltarife« seinen Höhepunkt erreichte, für die Jahre 1894 bis 1897 zu dem etwas ermässigten Wilsontarife zurückkehrte, dann aber mit August 1897 in den gegenwärtig geltenden Hoch­schutzzolltarif übergieng, der unter dem Namen Dingley Bill bekannt ist und mit seinen bisher noch unerreicht hohen, vielfach 50 bis 60 Procent übersteigenden Werthzöllen den österreichischen Leinen­export dahin auf das Empfindlichste bedroht. Es trifft dies Unglück die österreichische Leinen-Industrie umso schmerzlicher, weil seit dem Verluste Lombardo-Venetiens und des freien Rohleinenverkehrs nach Preussisch-Schlesien, wie auch überhaupt seit der erschwerten Ausfuhr nach Deutschland, nahezu die Hälfte des Leinenwebenexportes, insbesondere der Production der nordostböhmischen Handweberdistricte auf das amerikanische Absatzgebiet angewiesen ist, und selbst von der anderen Hälfte ein Theil auf dem Wege deutschen und englischen Zwischenhandels auch Nordamerika zu seinem Consumgebiet zählen muss. Die statistisch nach Hamburg-Freihafen ausgewiesenen Versendungen gehören fast sämmtlich zu diesem österreichisch-amerikanischen Leinenexport. In der That betrug auch die Ausfuhr von Leinengarnen und Leinenwaaren der österreichisch-ungarischen Monarchie:

im Jahre

nach den Vereinigten Staaten

nach Hamburg

Menge in Metercentner

Werth in

Gulden ö. W.

Menge in Metercentner

Werth in

Gulden ö. W.

während der Mac Kinley Bill

CP

00

3515

1,238 935

73 1 7

1 , 343-756

1893.

3400

1,149.778

7999

l, 492-332

1894.

3115

1,048.372

5043

698.530

Nach der Aufhebung- der Mac Kinley Bill stieg-en diese Zahlen auf:

1895.

6513

1,992.807

8887

I, 075-985

1896.

47 1 9

1,428.785

: 9909

1,312.91 2

Die Gründungsperiode der neuen Leinen-Industrie in Oesterreich.

Es ist selbstverständlich, dass die neue fabriksmässige Leinen-Industrie ihre Geburtsstätten in jenen alten Gebieten fand, wo schon seit Jahrhunderten die alte Industrie geblüht hatte, und dass ihre Gründer aus den Reihen der erbgesessenen Angehörigen der Leinengewerbe Oesterreichs hervorgiengen. Deshalb sind auch die ersten Fabriken und Grosshandlungshäuser mit den beiden Hauptgebieten der Leinen-Industrie verknüpft, deren eines die noch bis in die Dreissigerjahre als Leinwandmärkt tonangebende Stadt Trautenau zum Mittelpunkte hat, und deren anderes sich in Mähren und Schlesien hauptsächlich um die beiden Städte Mährisch-Schönberg und Freiwaldau gruppirt und zugleich umgeben ist von einer zahlreichen landwirthschaftlichen Bevölkerung, die durch ihre rauhe, gebirgige Heimat mit ihrem Fleisse und Erwerbe im Sommer auf den Flachsbau, im Winter auf den Webstuhl angewiesen ist.

Die Begründer der neuen Industrien gehören indessen nur zu einem kleinen Theil jenen ganz alten Firmen an, welch letztere meist in dem Kampfe um die Aufrechthaltung der alten Form des Leinen­gewerbes und Handels am Ende des vorigen Jahrhunderts unterlegen sind. Es waren dies vielmehr eine Zahl junger, intelligenter Leinenkaufleute, welche die Aufgaben der neuen Zeit richtig erkannten. Es konnte kaum zweifelhaft bleiben, dass die ersten Fabriken sich der Flachsspinnerei zuwenden würden. a) Das nordostböhmische Gebiet und die Trautenauer Gegend insbesondere.

Oesterreich gebührt der Ruhm, einer der Schauplätze der ersten praktischen Versuche mit der bahn­brechenden Erfindung der Flachsspinnmaschine Philipp de Girards gewesen zu sein. Girard hatte schon 1834 in Weigelsdorf in Niederösterreich seine Maschinen aufgestellt und w r andte sich nach Russisch-Polen, dem nach ihm benannten Orte Girardowo oder Shirardow, um seine Erfindung im Grossen zu verwerthen. Als aber England in den Besitz der Maschine gelangte, sollte dasselbe eine entscheidende Uebermacht nicht allein über die gesammte Flachsspinnerei Oesterreichs, sondern auch Europas gewinnen. Aber auch

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