Gewebes beschränkt, nur der geknüpfte Teppich gestattet eine freie Behandlung, ein Nachgehen der Phantasie und ist daher auch eher in die Ivunstproducte als in die Industrieproducte einzureihen. Doch gerade diesen besten Producten der Teppich-Industrie ersteht ein harter Kampf durch den zunehmenden Import von anatolischen, persischen und indischen Teppichen; abgesehen von einzeln vorkommenden Prachtstücken, die aber, kaum in den Handel gebracht, in die Hände von Kennern übergehen, mangeln dem modernen orientalischen Teppiche die meisten Vorzüge der Alten. Nur die Billigkeit haben sie für sich und den den Laien bestechenden Umstand, im Orient erzeugt zu sein. In der Genauigkeit der Aus­führung, der Gleichartigkeit des Materiales, in der Echtheit der Farben und in der Dessinirung sind wir dem modernen Orientalen weit überlegen, nur gestatten unsere theuren Arbeitslöhne, welche mehr als das vierfache der im Oriente bezahlten betragen, die Herstellung jener dicht eingestellten Qualitäten nicht, die an die alten persischen Teppiche erinnern. Es sei darauf hingewiesen, dass persische Teppiche mit einer Einstellung von 150.000200.000 Knoten pro Quadratmeter keine Seltenheit sind, ja dass sogar Teppiche mit 400.000 Knoten erzeugt werden. In Europa geknüpfte Teppiche mit nur 60.000 Knoten sind schon wegen des hohen Preises ausserordentlich schwer verkäuflich. Dass trotzdem die österreichische Teppichknüpferei auf dem Weltmärkte concurrenzfähig ist, sei dadurch bewiesen, dass trotz eines Zolles von 185 Francs pro 100 Kilogramm Frankreich für circa 250.000 Francs Teppiche aus Oesterreich bezieht; ein gleiches Quantum liefert Oesterreich nach England.

Die grosse Bedeutung der österreichischen Teppich-Industrie ist nicht nur dem Umstande zu ver­danken, dass die Industriellen einerseits in Frankreich und England für sich ausgezeichnete Dessinateure beschäftigt haben, sondern sich auch im Inlande eine Armee von guten Zeichnern heranbildeten. Wenn die erste Londoner Ausstellung im Jahre 1851 einen grossen Anstoss zur Verbesserung des Geschmackes in der gesammten Teppich-Industrie gab, so ist in Oesterreich seit der Wiener Weltausstellung ein frischerer Zug bemerkbar. Ein Verdienst gebührt dem österreichischen Museum für die ausgezeichneten Vorlagen, insbesondere aber auch dem österreichischen Handelsmuseum, welches uns im Jahre 1891 wohl die reich­haltigste je dagewesene Sammlung bester Teppiche der ganzen Welt vorführte und dadurch grosse An­regung zu neuem Schaffen gab. In den letzten zwei Decennien sind, der Hast unseres Jahrhunderts folgend, auch in der Teppichmusterung sämmtliche Stylarten, von der Gothik angefangen bis zum nüchternen Empire-Styl, durchflogen worden. Manch Gutes ist auf diesem schnell durcheilten Wege mit­genommen worden, doch wurde auch recht viel gesündigt und vom Publicum zu sündigen verlangt, so dass die Musterung der Teppiche vielfach nicht mehr im Einklänge stand mit der Verwendung derselben. Seit wenigen Jahren nun hat sich auch in der Teppichmusterung der neue Styl geltend gemacht. Trotz mancher Uebertreibungen, die ihm vorgeworfen werden mögen, hat er doch in Farbenstimmungen ganz Ausgezeichnetes geschaffen und vor Allem mit dem Relief mit Licht und Schatten im Teppich gebrochen, und hat uns wieder zurückgeführt zum Flachornament, zu Stylisirungen aus dem Pflanzen- und Thierreiche. So leitet er uns wieder hinüber zu den unvergänglichen und immer mustergiltigen Vorbildern der alten persischen Teppichweberei.