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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
Entstehung
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Von Theben bis Philä. 191

und der gegenüber befindlichen offenen Gallerie entsprechen müssen. Durch die Pforte des zweiten Pylonsystems, der Front des eigentlichen und älteren Tempels, vor den jene unregelmässigen Vorbauten sich ge­lagert haben, treten wir in einen dritten höher getragenen Säulenhof, der heut noch blenden kann. Die Zeit seiner Entstehung ist die der Ptolemäer, die des Verfalls der ägyptischen Kunst. Aber wie strahlen diese Säulenkapitäler in ihren Lotos-, Papyrus- und Palmenblättern, wie sind diese Säulen so elegant mit Blätter- und Sternenkreisen, religiösen Symbolen und Figuren umgeben ! In den Kapitalem herrscht die grüne und rothe Farbe vor, über dem Eingänge schwebt die dem Beisenden in Aegypten wohlbekannte grosse blaubeschwingte Sonnen­scheibe, die Hallendecke ist blau, mit goldnen Sternen, und die Figuren der Himmelsgöttin, verschiedene Himmelswölbungen darstellend, beugen sich mehrfach darin um- und übereinander. Durch die Hinterthür tritt man vor die dunkle, jetzt verödete Kammer des Allerheiligsten. Ausser den Gemächern gibt es in den dicken Mauern noch verschiedene ge­heime Gänge, in denen die Tempelschätze verborgen gewesen sein mögen, wahrend Andere glauben, sie haben den Priestern zu Gefängnissen für die, welche gegen sie gesündigt, oder zur Ausführung frommer Be­trügereien gedient.

Die Sculpturen des Tempels sind meist Hautrelief und mit hellen und glänzenden Farben gemalt. Sie stellen Scenen aus den Mythen von Isis und Osiris nebst ihrem Sprössling Horus dar, welche die Trias bildeten, die in Philä verehrt wurde. Die Götter sind hier mit weisser griechischer Haut dargestellt, nicht, wie in den altern Gräbern und Tempeln, mit lrellrothen Gesichtern und Händen. Ihr Profil ist sym­metrisch und selbst schön, und die Embleme, mit denen sie umgeben sind, zeigen in ihrer Ausführung viel Geschmack und Geschick.

Oestlicli von dem grossen Tempel steht ein viereckiges offnes der Isis geweihtes Gebäude von gelblichem Sandstein, dessen vier Seiten Säulenreihen sind, welche einen Arcliitrav tragen und etwa in ihrer halben Höhe durch Mauern aus grossen Blöcken verbunden sind. Die Kapi­taler sind alle von verschiedenem Muster, doch zeigen sie dieselbe aus­gesuchte Harmonie, welche an den Säulen in Herment und Esneh entzückt.

Das Gebäude ist augenscheinlich unvollendet. Die Wände und Pfeiler sollten offenbar mit Bildwerken bedeckt werden, und ein Dach von Sandsteinblöcken sollte hinzukommen, was den Bau einzig in seiner Art gemacht haben würde. Von den Bildwerken ist nur ein kleiner Tlieil ausgeführt und das Dach mangelt ganz. Wahrscheinlich war das Ganze eines der schon mehrmals erwähnten Gebärliäuser, und seine Erbauung gehört in die Zeit, wo das Christenthum schon mit dem Heidenthume Aegyptens rang. Letzteres hielt sich hier und in der Nachbarschaft sehr lange. Die schwarzen Blemyer, äthiopische Beduinen, blieben der Isis und ihrem Gemahl auf Philä am längsten getreu. Bis in späte christliche Jahrhunderte durften sie auf ihren Barken die Bilder ihrer Göttin abholen und herumführen. Hier im Tempel selbst - .