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I. In Italien (1848—1855)
zum Schutze der Ländereien gegen Hochwasser. Vielleicht war es gerade dieser stete Kampf gegen die Naturgewalten, der viele junge Leute zu der angewandten Mathematik lenkte. Es ist nicht Zufall, wenn viele der tüchtigen Ingenieure, die an der Wiege des österreichischen Straßen- und Eisenbahnbaues standen, aus den italienischen Provinzen hervorgegangen sind, wenigstens dort ihre fachlich-wissenschaftliche Ausbildung erlangt hatten. Die Ingenieure bildeten in Mailand und Venedig einen angesehenen, einflußreichen Berufsstand; zählte doch im Jahre 1846 Mailand allein 270 Ingenieure, von denen jeder verordnungsgemäß, gleichsam als Zeichen seiner staatlichen Berechtigung zur Ausübung seines Berufes, eine „Caution“ von 8000 Zwanzigern 4 in Papieren der lombardisch - venetianischen Schuld („Monte“) erlegt hatte.
Ein großer Teil der Ingenieure beschäftigte sich nur mit landwirtschaftlich-technischen Fragen. Ausländische Fachgenossen, die nach Oberitalien kamen, um die Landwirtschaft dieses Landes kennen zu lernen, loben die Tätigkeit und rühmen die Verdienste dieser Techniker um die Verbesserung des Bodens. Freilich boten die eigenartigen Pachtverhältnisse ihnen auch die Möglichkeit zu solcher fruchtbringenden Arbeit. Wenn ein neuer Pächter den Hof bezog, hatte der Ingenieur einen Übernahmsbefund — consegna — aufzustellen, der den Bestand des Pachtgutes an Gebäuden, Äckern, Wiesen, Bäumen, Vieh usw. ausführlich, nicht nur der Menge, sondern auch der Güte nach, mit peinlicher Gewissenhaftigkeit darlegte; am Ende der Pachtzeit wurde ebenfalls in gleicher Weise ein Rückstellungsbefund — riconsegna — verfaßt, dessen Vergleich mit dem Übernahmsbefund den Erfolg der Tätigkeit des Pächters zum Nutzen oder Nachteil des Gutes und seines Wertes un-