14
I. In Italien (1848—1855)
kleine Kind auf dem Schoße der jungen Frau neben ihm, die auch in die Fremde zieht. In den Bergen von Tirol atmet er freier auf. „Welch göttliche Ruhe, welch gutes Volk, welche Ordnung!“ schreibt er nach Hause. In Südtirol erwacht die Sehnsucht nach Primiero, nach dem Vaterhause, nach den Eltern; in Lavis hört er, daß sein Bruder Michele dort weilt und das Herz zieht ihn gewaltsam hin, aber die Pflicht drängt zur Beschleunigung der Reise. Nach fünf Tagen langt er bei herrlichem Wetter in Verona an, dem ersten Ziele der Fahrt. Von Zerstörungen durch den Krieg hat er noch keine Spur gesehen; Felder und Villen prangen in schönster Pracht; die Gegend ist himmlisch, die Stadt schön, aber schmutzig. Abends weilt er am Arena-Platz und grüßt sein fernes Weib in dem Sterne, den sie als Dolmetsch ihres Gefühles sich gewählt haben, und meint, daß sie auch nun seiner in diesem Augenblicke in Liebe und Sehnsucht gedenke ....
Am 5. September 1848 trifft Negrelli in Mailand ein. Die Stadt beginnt bereits die alte Lebhaftigkeit wieder zu finden; überall herrscht größte Ruhe, überall begegnet man österreichischen Soldaten. Nun hat er auch die Spuren des Krieges gesehen, besonders zwischen Verona und Peschiera; auch in Brescia und in den Vorstädten Mailands, besonders außerhalb der Porta Tosca und Porta Romana finden sich ernste Merkmale der blutigen und heißen Kämpfe, die hier stattgefunden haben. „Der gekrönte Schurke“, schreibt Negrelli an Escher in die Schweiz, „zündete die Vorstädte an und ließ die herrlichen Platanen niederhauen! In Cassano haben sie, obschon nicht verfolgt, die Brücke über die Adda zerstört_ Den lombardischen Flüchtlingen kön
nen Sie wohl sagen, daß sie töricht sind, ihre Heimat zu verlassen; nur ein böses Gewissen konnte sie dazu