1. In sturmbewegter Zeit
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nung von Wien ist für seine Zukunft nicht günstig. Schon sind seine Neider und Gegner am Werke. Man beginnt, Ränke gegen ihn zu spinnen. Politische Beweggründe scheinen maßgebend. Seine beiden Schwäger Hofrat Ritter von Erb und Theodor Weiß von Starkenfels, der nachmalige Polizeidirektor von Wien, waren schon damals in den freisinnigen Kreisen der Hauptstadt sehr unbeliebt; man erwartete insbesondere von dem letzteren, der sich schon mehrseits unangenehm bemerkbar machte, nichts gutes für die Zukunft. Die radikalen Zeitungen führten einen erbitterten Kampf gegen beide und überschütteten namentlich Weiß von Starkenfels mit Spott; einige von ihnen dehnten ihre Angriffe auch auf die nähere und weitere Verwandtschaft der beiden Männer aus; die ganze Sippe der Erbs und Starkenfels* sollte vernichtet werden — und mit ihr auch Negrelli. Dieser nahm die Sache nicht allzu tragisch; ernster und bitterer war es ihm, daß einzelne Persönlichkeiten im Ministerium und selbst an höchster Stelle gegen ihn auf traten; daß auch Schmid und Ghega** — wie ihm geschrieben wird — sich in den Vordergrund drängen. Alle seine Briefe jener Tage atmen tiefe Verstimmung. Und zu allem Bösen noch das eine, das Schlimmste: seine Lotti wird mißtrauisch, quält ihn „mit übergroßer Empfindlichkeit“. Gute Bekannte haben ihr im Vertrauen erzählt, daß ihr Gemahl den ganzen Winter über in Italien bleiben werde; sie empfindet es als schwere Demütigung, daß sie von fremden Leuten hören müsse, was für sie doch das Wichtigste ist und was sie doch wissen sollte, bevor es andere erfahren. Bitter beklagt sie ihr Schicksal, allein und verlassen zu sein, preisgegeben dem
* Vgl. Erster Band, S. 227.
** Erster Band, S. 224; siehe auch Sach- und Namenverzeichnis des ersten Bandes.