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I. In Italien (1848—1855)
Klatsche der Gesellschaft, aus der sie nicht in die Arme ihres Mannes entfliehen kann. Und dieser Mann, an dem sie mit allen Fasern ihres Herzens hängt, habe kein
Vertrauen und keine Liebe mehr für sie_ Ernste
Briefe gehen von Verona nach Wien und von Wien nach Verona; Vorwürfe gehen dorthin und hierher — dann gibt es Tränen dort und bange Klagen hier, und schließlich wird die Ballade zur Romanze, die Tragödie zum Lustspiel, und das ernste Lied klingt in heiter versöhnenden Worten aus, wie innige Liebe allein sie prägt.
Mitten hinein in diese Kämpfe gegen Ränke und heimliche Feinde, mitten hinein in das reizende Herzensund Wortspiel liebender Seelen, die nach Wiedersehen rufen und nach Frieden sich sehnen, klingt schrill und jäh das Sturmgeläute der blutigen Oktobertage in Wien. Die ungarischen Wirren hatten hier rasch ihren Widerhall gefunden; schon im Monate September, als Kossuth in Pest die Vollgewalt übernahm, war die Unruhe gewachsen, die Bewegung lebhafter geworden. Die Parteien standen sich schärfer gegenüber und bekämpften sich; schwarz-gelb, schwarz-rot-gelb und rot wurden offen getragen; rücksichtsloser als je zuvor sprachen die vielen Zeitungen, die die Preßfreiheit geboren hatte. Die Ereignisse in Frankfurt am Main gaben neuen Zündstoff. In Pest wurde Graf Lamberg ermordet; Kossuth stellte sich an die Spitze der „magyarischen Insurrec- tion“; ein unscheinbarer Vorfall: der Wechsel eines kleinen Teiles der Besatzung in Wien, führt zur Entladung.
Am 11. Oktober, 7 Uhr morgens, schreibt Negrelli seiner Lotti: „Es ist gestern keine Post aus Wien eingetroffen; es herrscht unter uns allen große Beunruhigung — die furchtbarsten Gerüchte werden herumgetragen — Krauß und Latour wären von der magyari-