1. In sturmbewegter Zeit
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Der „fern und unbekannt wo Weilenden“ sandte er am
4. November — am Karolinentage —- heiße innige Glückwünsche zum Namensfeste.* Endlich, am 8. November trafen ihn die ersten Briefe, die Lotti am 22. und 25. Oktober in Olmütz geschrieben. „Gott sey gepriesen — Du bist gesund — Ihr seyd sicher!“ Und am nächsten Tage schon lag je ein mächtiger Pack Briefe vor ihm und vor ihr; und nun regnete es Briefe von allen Seiten, denn in Wien war es ruhig geworden, seit der Befehlshaber des kaiserlichen Heeres, Fürst Windischgraetz, es im Sturm genommen und das Ministerium Schwarzenberg die klerikal - feudale Herrschaft eingeleitet hatte. Die Post hatte wieder Zeit gefunden, ihrer Pflicht zu genügen: „ungefährliche“ Briefe, in den letzten Wochen geschrieben, gelangten endlich an ihre Anschriften. Es waren böse Zeiten für Wien gewesen. Sie waren auch in Italien nicht unfühlbar geblieben. Negrelli berichtete seiner Frau von Geheimboten Kossuths, die ergriffen und erschossen worden seien, von Briefen aus Ungarn, die an Offiziere gerichtet waren und die man aufgefangen hatte; er erzählte ihr von den Einfällen der Graubündner und Tessiner in die Lombardei, von dem Aufruhr in Chiavenna, wo man Österreichs Wappen verbrannt und Freiheitsbäume errichtet hatte; von einem Ausfälle der Venediger, die sich vom Viehmarkte ln Noale an 100 Stück prächtiger Tiere geholt hatten... Aber Radetzky zeigt sich — schrieb er weiter — den Rebellen als Herr; der gefürchtete Haynau muß Chiavenna züchtigen; den Schweizern wird mit blutiger Vergeltung gedroht. Wiens Unterwerfung und Win- dischgraetz’ Sturmangriff wirken schon beruhigend. Die blutigen Vorfälle in Piemont, in Toscana und im
* Lotti hieß in Wirklichkeit Karoline. Vgl. Erster Band,
5. 203.