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I. In Italien (1848—1855)
die der Westschweiz dient; aber zwischen Chur und Chiavenna herrschten elende Postverhältnisse vor, die behoben werden mußten, wenn die Besserung der Verbindung zwischen Zürich und Chur erfolgreich sein sollte; die Ostschweizer Vertreter hatten sich an Ne- grelli gewendet, bei Bruck ihre Sache zu vertreten; der neue Leiter der Post im Ministerium, Ministerialrat Kalchberg, nahm denn auch regen Anteil an dieser Frage und beauftragte Negrelli, nach seiner Rückkehr nach Italien an Ort und Stelle hierüber Erhebungen zu pflegen.
In diesen Wochen emsiger Arbeit in Wien wurden auch die Grundzüge für die Neugestaltung des gesamten Baudienstes in der Lombardei und in Venedig aufgestellt; Negrelli hatte die Ursachen der Ubelstände kennen gelernt und suchte sie zu beseitigen — ich komme darauf noch zu sprechen; hier sei nur bemerkt, daß schon damals die endgültige Berufung Negrelli’s nach Italien an leitender Stelle in Aussicht genommen war und Negrelli’s Familie mit dieser Tatsache zu rechnen begann.
Die politische Entwicklung in Österreich fand nicht Negrelli’s Beifall; wiederholt klagt er über sie seinen Schweizer Freunden Escher und Kuhli, mit denen er vertraulichen Briefwechsel pflegt: überall stockt der Eisenbahnbau; es fehlt an der leitenden kräftigen Hand; die Revolution in Wien hat viele erprobte Fachmänner verdrängt; die neuen Minister bringen neue Männer, die sich auf den ihnen überwiesenen Gebieten noch nicht heimisch fühlen; allerorten gärt es noch; die führende „Linke“ im Parlament geht scharf ins Zeug; der Adel soll abgeschafft, der Zuzug der Ausländer in den österreichischen Staatsdienst verhindert werden ... Negrelli schüttelt fragend den Kopf: wohin soll das führen —