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I. In Italien (1848—1855)
sagen weiß; in allen seinen ernsten Geschäften findet er noch Zeit, sich mit den einfachsten häuslichen Fragen zu befassen, seiner Lotti Ratschläge zu geben, sie um das und jenes zu fragen; Baronin Heß, die Gattin des Generalstabschefs, der er bei Radetzky vorgestellt wird, meint verbindlich lächelnd: „0 — unseren Negrelli kenne ich schon lange — er ist das Muster von einem Ehemanne.“ Am Tische Radetzky’s, der stets zahlreiche Gäste um sich sah, erfährt Negrelli auch, wie sehr er seiner armen Frau daheim Unrecht getan, als er ihr — da sie ob der langen Trennung von ihrem Manne fast schon verzweifelte — die Baronin Heß als Vorbild genannt; denn diese gesteht ihm, daß sie eine wahre „Re- belliosa“ war, als sie dreiviertel Jahre lang ferne von ihrem Manne weilen mußte... In Verona traf ihn die Nachricht von einem verheerenden Brande in Primiero, der 43 Familien obdachlos gemacht, ihrer Habe und ihrer Zukunft beraubt hat, weil keine „Versicherung“ vorhanden ist; er bat Lotti, unverzüglich eine Sammlung einzuleiten.
In seinen Briefen an Lotti spricht er auch oft so freimütig, als die Sorge vor Verletzung des Briefgeheimnisses dies erlaubte, seine politischen Anschauungen aus; noch lebte in ihm der alte österreichische Beamtengeist; aber der feingebildete, weitblickende und nicht engherzig fühlende Mann konnte doch den mächtig emporstrebenden neuzeitlichen Gedanken sich nicht ganz verschließen; und es ist köstlich zu lesen, wie das Alte und das Neue sich zusammendrängen und in seinem Herzen und seinem Geiste nach einem Ausgleiche suchen. Die Lombardei — schreibt er unter anderem — ist voll Ruhe; aber keine Zufriedenheit; die Lasten sind zu gewaltig; Lombardei und Venetien müssen monatlich fünf Millionen Gulden C. M. an Steuern