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1. In sturmbewegter Zeit
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3. Mai traf sie in Verona ein; Louis konnte sie nicht empfangen; in der Suite des Feldmarschalls mußte er
* nach Mestre; einige Zeilen begrüßten sie im Gasthofe:
„Willkommen teuere Lotti, angebetetes Weib, in meiner Nähe.“ Im Palazzo Giusti des Giardino fanden sie ein schönes Heim: große Säle, in die man eine ganze Wiener Wohnung hineinstellen könnte, wie Lotti scherzend ihrer Mutter schreibt, mit schönen Fremdenzimmern, mit prachtvoller Gemäldegalerie ... Aller erdenklicher Prunk umgab die junge, schöne Frau, der Staatsmänner und Generale huldigten; aber ihre Sehnsucht war nach Wien gerichtet und in den schweren Tagen, denen sie entgegenging, in den mancherlei Trübsalen, die Krankheiten in der Familie ihr bereiteten, hatte sie doch nur einen Wunsch, der Mutter und den Schwestern nahe zu sein. Am 6. November 1849 genas Lotti eines gesunden Knaben; er erhielt in der Taufe den Namen Josef; Taufpate war Radetzky.
» Und wie dem jungen Weibe, so war auch dem
Manne Verona noch nicht geworden, was er ersehnt hatte. Die Gegenwart lastete schwer auf Negrelli; er war nur Gast im eigenen Hause; die Berufspflichten führten ihn durch ganz Italien, dahin und dorthin und nur auf vereinzelte Tage weilte er im Palazzo zu Verona, seinem Mekka, seinem Wunsch, seiner Sehnsucht, wie er immer wieder in den Briefen an Lotti versichert. „Die stillen Freuden“, klagt er seinem Freunde Kubli in Sankt Gallen, „die stillen Freuden echten Familienlebens, die mir in so reicher Fülle geboten sind, kann ich im Strudel der Geschäfte nur selten und frei genießen“. Die Hauptaufgabe seines Wirkens in Italien bildete die Vollendung der Strecke von Verona nach Venedig und der Ausbau
4» des Schienenweges zwischen Chiari und Brescia. Hier
setzte er mit der Vollkraft seiner Tätigkeit ein. Be-
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