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In Italien - Der Suezkanal - Letzte Kämpfe : mit einem Bildnisse / von Alfred Birk
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I. In Italien (18481855)

mir, als ob ich aus der Welt wäre! Nach dreitägigem Ritte, nach großen Anstrengungen langte Negrelli am 22 . Oktober in Pistoja ein, von wo er ohne Aufenthalt nach Florenz reiste. Mit trüber Stimmung seine Frau ist erkrankt und er ohne Nachricht von ihr fuhr er um 9 Uhr abends in der Stadt ein; den ganzen Tag hatte er nichts genossen; dabei litt er schwer an den Nachwirkungen des sechstägigen Rittes und des an­strengenden Marsches; am Tore wurde er über eine halbe Stunde aufgehalten; dann gings bis 11 Uhr nachts herum in allen Hotels; endlich gelang es in einem Hause dritten Ranges, allaquila doro, einen kleinen Schlupf­winkel gegen den Hof zu aufzutreiben und ein kaltes Huhn als Nachtmahl zu erjagen, wofür er Gott herzlich dankte.

Negrelli hatte im Sommer eine Trinkkur in Recoaro, einem damals vielbesuchten Heilort, durchgemacht und fühlte wohl schon die ersten Anzeichen des schweren Leidens, das ihm vorzeitig den Tod bringen sollte; darum mag ihm auch der an und für sich gewiß sehr anstrengende Studienritt so überaus beschwerlich ge­fallen sein.

In Florenz herrschte eben große Aufregung; auf den Ministerpräsidenten Baldessaroni hatte man einen Mord­anschlag verübt; der Präsident war aber nur leicht ver­wundet worden und konnte die Kommission empfangen. Täglich fanden Sitzungen statt, in denen Negrelli Be­richt erstattete und die Frage der günstigsten Bahnlinie über den Apennin eingehend erörtert wurde. Die Bera­tungen nahmen einen erfolgreichen Verlauf. Negrelli fand wenig Zeit, sich Florenz zu besehen; doch was er von der Stadt sah, entzückte ihn nicht besonders; ver­gebens suchte er, schöne Frauen zu erblicken; selbst die Engländerinnen, meint er, sind nur mittelgut; die Kunst-