3. Die letzten Jahre in Verona
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Ich übergehe die Zeilen, die streng vertraulicher Natur sind und nur der Aufklärung des Mißverständ- .. nisses zwischen Mann und Weib dienen. „In sechs
Jahren“, fährt dann Negrelli fort, „mußt Du, liebe Lotti, doch eingesehen haben, daß ich vor jeder Abreise mürrisch bin und daß der Schmerz der Trennung es ist, der mich in diese Stimmung versetzt. Und wenn es sich gar um Modena handelt, bin ich schon immer acht Tage vorher krank! Und dann das Drängen der Geschäfte vor der Abreise — kurz alles bringt mich auf und versetzt mich in eine Stimmung, die mich oft an Wahnsinn mahnet! Der arme Gaspari, der Beppo, die Beamten zittern vor mir vor jeder Abreise, denn es kommt mir alles zu dick — alles hielt ich für möglich, aber daß Du mich so verkennen könntest, das fiel mir im Traum
nicht ein!_ Kurz, es hat Dein Brief von gestern
mich ganz konfus gemacht. Ich sehe wohl ein, mir hat der Himmel große Prüfungen auferlegt... Du verkennst ► mich ebenso gut, wie mich mein Kaiser verkennt! Mein
Eifer, meine Treue für den Dienst, meine Liebe für Dich, meine Rücksichten, meine Anhänglichkeit haben mir solche Früchte gebracht. Ich werde trachten, im Dienste wie in der Liebe zu sein wie andere Menschen der Mehrzahl nach — vielleicht treffe ichs besser, vielleicht wird meinem Gemüte dadurch die Ruhe zuteil, die mir abgeht!“ In diesem Briefe kommt er auch auf Graf Rechberg zu sprechen, der damals in Verona weilte und den er gerne persönlich dort angetroffen hätte; heute ist es ihm gleichgültig, ob der Graf in Verona ist oder nicht, ob er ihn sprechen wird oder nicht: „Auf mich“, schreibt er resigniert, „hört man nicht mehr, alles geht besser ohne mir und meine Gegenwart in w Verona wird den Gang der dortigen Dinge nicht im ge
ringsten ändern. Fünf Jahre sind es, daß ich im Ge-
hi