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In Italien - Der Suezkanal - Letzte Kämpfe : mit einem Bildnisse / von Alfred Birk
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3. Die letzten Jahre in Verona

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der Eröffnung der Bahnstrecke nach Desenzano hatte Negrelli wie wir erzählten böse Veranlassung, sich *. über Eigenmächtigkeiten der Beamten zu beschweren;

nun spricht er von Unbotmäßigkeit und Auflehnung, ja er besorgt schon Verdächtigungen und Verleumdungen seiner Untergebenen, eine Ahnung, die ihn nicht ge­täuscht zu haben scheint. Er denkt an strengere Zucht. Hatte er bisher im Geiste Radetzkys gewaltet, so nahm er nun andere Maßregeln in Aussicht. Vielleicht, aber ich kann es bei der seelischen Art des Mannes nicht glauben, ging er nun schärfer ins Zeug, als es nach der Milde der früheren Tage gut war. Eines mag wohl gelten: Negrelli selbst fand nicht die Zeit, sich in all die kleinen Fragen hineinzuarbeiten, die von jeder Ver­waltungstätigkeit untrennbar sind, und seine engeren Mitarbeiter waren wohl auch nicht die rechten Männer, die ein Arbeitsfeld, wie das Negrellis, erforderte. Mar- tello, den Radetzky als einen Mann von bedeuten- *. den Fähigkeiten schildert, war erst seit April 1854 als

Stellvertreter tätig; er war aus Rovereto, hatte bei Fis­kal- und Gerichtsämtern in Tirol gewirkt, war schon 1831 nach Mailand gekommen und hatte hier Land und Leute gründlich kennen gelernt; aber vielleicht trug er, der fast ein Vierteljahrhundert im Polizeidienste tätig war, doch zuviel polizeiliche Schlauheit und zuviel poli­zeiliches Wesen in einen Beamtenkörper hinein, der solches nicht verträgt und sich dagegen aufzulehnen be­gann; es liegt nichts Klares über diese Verhältnisse vor.

Zu allem Unangenehmen jener Tage in Modena ge­sellten sich auch trübe Nachrichten aus Wien. Wohl waren es nur flüchtige Worte über die Erfolglosigkeit irgendwelcher Schritte seines Schwagers in Wien, die in den Briefen sich vorfinden; aber aus ihnen heraus wächst eine stürmische Offenbarung der Gefühle und

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