148
1. In Italien (1848—1855)
Die ahnungsvollen Vorboten des erwarteten Ereignisses stellten sich ein: die Streber, die rechtzeitig der Gunst des künftigen Machtgebers sich versichern wollten, und die Zurückgesetzten, die rechtzeitig ihre Wünsche und Hoffnungen ihm ans Herz zu legen suchten. „Leute beehren mich mit Besuchen, die mich vorlängst am liebsten mit einem Stricke bedacht hätten.“ Die ersten Familien Wiens baten ihn zu Abendunterhaltungen, musikalische Beamte widmeten ihm ihre Tonschöpfungen, und die Türsteher, die stets gute Witterung haben, beugten sich tiefer vor ihm als vor den Sektionschefs; ja schon erschien ein hoher Beamter im glänzenden Staatskleid vor ihm und begrüßte ihn als seinen Vorgesetzten. Sein Bruder, Monsignore Nikolaus, beglückwünschte ihn vom Hradschin aus zu der neuen Stellung eines Sektionschefs, für die er nach der Überzeugung der Prager Staatsbeamtenschaft ausersehen wäre.
„Aber dies ist nicht der Fall, liebste Lotti, meine Stellung wird eine ganz andere sein. Meiner neuen Bestimmung müssen große, administrative Maßnahmen vorausgehen — meine Stellung hier muß aus denselben entspringen. Bruck wird mir diese verschaffen, es wird ihm gelingen, aber nur Geduld, Geduld — und Stillschweigen, bis es schwarz auf weiß vorliegt...“ So und ähnlich klingt es wieder und immer wieder durch die Briefe an sein Weib, seine einzige Vertraute, Bangend verfolgte Negrelli den jähen Wechsel der Bilder auf der politischen Bühne, die gegen Ende April sich unheimlich verdüsterte. Die Friedenskonferenz ging auseinander. Die Gefahr eines „Bruches“ stand vor der Türe. Rüssel reiste ab, Drouin folgte ihm; die Börse geriet in gewaltige Erregung; mehrere Regimenter erhielten Marschbereitschaft; Feldmarschalleutnant Keller ging nach Galizien; Heß sollte ihm ehestens