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I. In Italien (1848—1855)
„Eine Hauptursache aller dieser Übelstände liegt in der Baudirektion selbst und in ihren Individuen. Der Baudirektor Ritter von Negrelli wird von keiner Stimme verdächtigt; er macht keinen Aufwand und lebt seinen Einkünften gemäß. Aber er ist, wie ihn die Italiener treffend bezeichnen ,piu Cavaliere che Direttore'.* Er dringt in kein Detail ein, nimmt alle ihm vorgelegten Anträge ohne Prüfung an, und führt keine Oberaufsicht. Er sieht, möchte ich sagen, seine Eisenbahnen nur in der Vogelperspektive; er freut sich der Fahrt, der Huldigungen, die ihm gebracht werden, und ist von dem Weihrauche, den ihm die Italiener in pomphaften Reden spenden, so betäubt, daß er die Mängel seiner Bauten nicht sieht. Er findet, wie ich vermute, zu nichts Zeit. Er ist während vieler Monate im Jahre abwesend, wo ihn der Vicedirektor Martello, der kein Techniker, sondern ehemaliger Polizeibeamter ist, vertritt. Dieser ist dann der Spielball seiner Inspektoren und gibt zu allem Technischen nicht sein Urteil, sondern nur seine Unterschrift her.
Der Ober-Inspektor Presani ist ein alter praktischer Ingenieur, aber bei seinem vorgerückten Alter fehlt ihm die Energie. Er ist ohne allen Einfluß. Die Inspektoren sehen den Objekten nicht fleißig nach, sonst könnten unmöglich so arge Verstöße, solche schleuderische Arbeiten geschehen. Aufgefallen ist es mir, bei der Baudirektion den Ingenieur Bourelly, einen Franzosen, angestellt zu finden, der zu Venedig die Batterien gegen uns baute. Welche Liebe für seines Kaisers Interesse soll ein solcher Ingenieur nur haben?
Sieht man den unmäßigen Aufwand bei den Stationsgebäuden zu Brescia, Desenzano, Treviso, Cone- gliano u. a., so muß man wohl der Meinung derjenigen
* „Mehr Ritter als Direktor“.