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III. Letzte Kümpfe
die Wege zur Erreichung des bedeutsamen Zieles weisen.
Negrelli wurde von der großen Aufgabe in tiefster Seele ergriffen. Emsig begann er die Vorarbeiten; jede freie Stunde widmete er dem Studium eines Entwurfes. „Die Arbeit macht mir viel Freude“, schreibt er nach Zürich, „was ich bei Euch gelernt, kann ich hier verwerten.“ An diesem Zürich, an dieser Stätte fröhlichglücklichen Schaffens, hing eben noch immer sein Herz. Was ihn erfreute, was ihn bedrückte, das jauchzte oder klagte er hinüber nach Zürich. Seine Schweizer Freunde waren die ersten, die es erfahren, daß ihm seine Lotti einen Koloß von Knaben geschenkt (31. März 1858), und sie waren die ersten, denen er mitteilte, daß Lesseps ihn zur Reise nach Ägypten eingeladen habe. Freilich, die Glückwünsche, die von Zürich nach Triest eilten, waren füglich gegenstandslos. Die Reise mußte unterbleiben. Der neue Großwesir Ali Pascha vermied gleich seinem Vorgänger jeden entschiedenen Schritt in der Kanalfrage — und der neue englische Finanzminister Disraeli wandelte die Wege Palmerstons. Lesseps wollte den Bau des Kanals ohne Genehmigung der Pforte in Angriff nehmen. Gleich Metternich und Bruck warnte auch Negrelli vor einem solchen Schritte und setzte ihm scharfen Widerstand entgegen. Lesseps ver- anlaßte eine Anfrage über den Kanal im englischen Parlamente. Es gab eine erregte Verhandlung. Auch Robert Stephenson griff in sie ein. Der ursprüngliche Gedanke eines Wasserweges durch die Landenge von Suez, erklärte Stephenson, beruhte auf der irrtümlichen Voraussetzung eines Höhenunterschiedes von 30 Fuß zwischen den zu verbindenden Meeren, so daß es möglich gewesen wäre, einen Bosporus herzustellen, wie ihn die Natur zwischen dem Schwarzen und dem Mittel-
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